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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0089

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88

Kapitel III

wähnte noch Plinius der ÄltereA Dass der Europa-Name mit lokaler und regio-
naler Ausbreitung auch als Bei-Benennung weiterer Gottheiten wie Hera oder
Demeter nachzuweisen isW, muss keinesfalls in einem direkten Zusammen-
hang mit jener >Erdteil-Europa< stehen, sondern spricht vielmehr für die Existenz
weiterer Figuren desselben Namens. Auch mag es zutreffen, dass der sich
verfestigende und ausbreitende Mythos zur Entstehung einzelner Kultstätten
bei trug A Auf das Ganze gesehen tritt die religiöse Dimension aber gegenüber
der wahrnehmungsprägenden Wirkung der mythischen Erzählung deutlich
in den Hintergrund: Im Ergebnis gab die Antike an das Mittelalter das Wissen
um eine Prinzessin Europa weiter, die aus der Levante nach Kreta entführt
worden sei und nach welcher der Erdteil im Nordwesten der bekannten Welt
benannt wurde.

3. Grenzen Europas in der Antike

Unter den mit Europa angesprochenen Phänomenen erscheint sicher die geo-
graphische Größe des Erdteils am handgreiflichsten: Sie steht dem modernen
Menschen nicht nur aus seinem alltäglichen Sprachgebrauch (und der -
wenngleich meist medial vermittelten - Alltagserfahrung) lebhaft vor Augen,
sondern bildet zugleich im gängigen Vorverständnis das beständige Substrat,
auf dem weitere Sinnhorizonte angelagert sind: von der realen oder konstru-
ierten Kulturgemeinschaft der Einwohner bis hin zur politischen Organisation
der Staaten auf dem Kontinent. Für die vorliegende Fragestellung nach den
Deutungshorizonten, die mit dem Europa-Begriff verbunden sind, ist das kon-
krete geographische oder chorographische Wissen um die Beschaffenheit einzel-
ner Regionen von nachrangiger Bedeutung. Es geht im vorliegenden Kontext
nicht darum, ob etwa einzelne Autoren der griechisch-römischen Antike um
die Existenz Skandinaviens wussten oder die Ausdehnung der von den Germa-
nen besiedelten Regionen (aus heutiger Perspektive) >korrekt< einschätzten A
Stattdessen soll hier vielmehr der Frage nachgegangen werden, ob und wie
Europa als Ganzes in den Rang eines eigenständigen Erdteils erhoben wurde
und welche kulturellen Deutungsmuster mit diesem Prozess verbunden wa-
renA Von besonderer Bedeutung ist daher der Aspekt der Grenze, und dies
in zweifacher Hinsicht: Zum einen interessiert ganz pragmatisch die Setzung

36 Plinius, Naturalis historia, hg. Rackham/Jones/Eichholz 1938-1962, Bd. 4, S. 8/10 (XII v 11);
s. Bühler 1968, S. 44f.
37 Bühler 1968, S. 46.
38 Ebd.
39 Einen solchen >Kategorienfehler< riskierte etwa Berve 1949 [1966], S. 471-473, der eigentlich
vom Europa-Begriff handeln wollte, dann aber zunächst inhaltlich-geographisches Wissen
resümierte.
40 Dieser Zugang steht traditionell im Zentrum der Europa-bezogenen Literatur, wobei insge-
samt einzelnen >euphorischen< Stimmen zahlreiche eher zurückhaltende Urteile gegenüber-
stehen. Vgl. etwa Duroselle 1963, S. 33 und 41. Jouanna 2009 unterstrich zuletzt die Bedeu-
tung einer >Europa-Idee< für die griechische Antike.
 
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