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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0461

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Kapitel XVI

Mittelmeerraums, in dem sie entstanden - präziser fassten.^" Diese Produkte
empirischer Weltbeobachtung repräsentierten zugleich ein neuartiges Darstel-
lungsprinzip, da sie von den kleineren Radien des Erfahrungshorizonts aus-
gingen und damit vom Detail her konstruiert wurden, während die mappae-
immer schon den Gesamtrahmen der Schöpfung voraussetzten und
lediglich die Binnenstruktur weiter ausdifferenzieren konnten.'''

2.2. Europa in Karten?
Für die Frage nach dem Stellenwert und der Deutung Europas soll nicht im
Detail nachvollzogen werden, welche konkreten Wissensinhalte zu Europa in
einzelnen Kartenwerken wieder gegeben wurden. Insgesamt ist (wie auch im
Kontext textlicher Quellen zur Geographie) im zeitlichen Längsschnitt mit
zunehmender Verdichtung der Information zu rechnen^, die insbesondere an
der nördlichen und östlichen Peripherie in einer langgestreckten Entwicklung
zur Anreicherung empirischen Wissens führte, das mit zeitlicher Verzögerung
auch Eingang in die kartographische Darstellung fand.'"''
Diese verzögerte Umsetzung neu erworbener Wissensinhalte im Karten-
bild ist vor allem auf den konservativem Charakter der mittelalterlichen Kar-
tographie zurückzuführen: Angesichts der Autorität, die älteren Werken und
Vorlagen üblicherweise zugesprochen wurde, kann die zurückhaltende Über-
nahme neuen Wissens und neuer Inhalte nicht erstaunen. Den Produzenten
von Karten mochte auch die Kritik von Zeitgenossen in den Ohren klingen,
die, wie etwa Gervasius von Tilbury am Beginn des 13. Jahrhunderts, auf die
Fehler der Maler hinwiesen.^ Noch im 14. Jahrhundert mahnte daher Pauli-
nus Minorita ganz explizit besondere Vorsicht und Sorgfalt bei der Produktion

50 Siehe von den Brincken 1988, S. 39f.; de la Ronciere/Mollat du Jourdin 1984, S. 12-20, hier 15;
Campbell 1987. Die Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion der Gebrauchszusammenhänge
illustrierte jüngst wieder Falchetta 2008. Daneben sind noch lokale und regionale Karten zu
erwähnen, sogenannte SÜMS-Karten, die aber erst zum späteren Mittelalter hin in größerer Zahl
überliefert sind und zudem für die Frage nach Europa kaum nennenswerte Informationen
bereithalten. Bis zum 14. Jh. sind solche Regionalkarten aus der lateinischen Welt nur für Ita-
lien, Großbritannien und das Heilige Land überliefert, s. Harvey 2008, S. 135; Harvey 1987.
51 Vgl. zur Konstruktion und Entwicklung Campbell 1987, S. 387f. Eine noch weiter zu unter-
suchende Frage ist jene nach der Beeinflussung durch Traditionen aus der islamischen Welt,
vgl. Sezgin 2000; zu diesem Kontext forscht derzeit Stefan Schröder (Kassel).
52 Gautier Dalche 2008, S. 69-77.
53 Vgl. am Beispiel von Norden und Nordosten v.a. Kochanek 2004, Chekin 2006 und Edson 2008;
zu Rußland s. Mund 2003. Die Konstruktion des Nordens im Sinne von Alteritätszuschrei-
bungen in der hochmittelalterlichen Literatur analysiert Fraesdorff 2005, der die erstaunliche
Stabilität der Vorstellungen ebenso betont, wie den Wandel, der sich am Ende des 12. Jhs.
abzeichne (ebd., S. 355 und 359f.). Auch in Textquellen kann durch die Tradierung von Topoi
und andere Effekte eine Verzögerung bei der Integration empirisch gewonnener Erfahrung
festgestellt werden, s. Schmieder 1994, S. 285-322, bes. 316f.
54 Gervasius von Tilbury, Otia imperialia, hg. Banks/Binns 2002, S. 526 (1125): (...)
enim picfor, Mf alias fesh's, CMm & SMO adicd, parh's mendacio fofam fesh'monä sen'em decoioraf (...(.
Vgl. von den Brincken 1973a, S. 294.
 
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