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Schreier, Gero; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Ritterhelden: Rittertum, Autonomie und Fürstendienst in niederadligen Lebenszeugnissen des 14. bis 16. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 58: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54852#0113

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3. Ritterhelden: der diskursive Rahmen in didaktischen und politischen Traktaten

3.4. Gemeinnutz-Topik, adlige Spielräume und ritterliches
Heldentum im Reich des 15. Jahrhunderts
3.4.1. Johannes Rothes Ritterspiegel: Ritter(helden) als Fürstendiener
Die Rezeption antiker militärtheoretischer Schriften in Frankeich findet eine
gewisse Parallele im deutschen Sprachbereich. In diesem Zusammenhang ist vor
allem der Ritterspiegel (um 1415) des Thüringer Geistlichen Johannes Rothe zu
nennen.172 Die Entstehung des Ritterspiegels wird zumeist mit Rothes Lehrtä-
tigkeit an der Eisenacher Stiftsschule St. Marien verknüpft, doch hat man jüngst
den Anstoß zu der Schrift wieder mit Bruno von Teutleben, der, einem Minis-
terialengeschlecht entstammend, anfangs des 15. Jahrhunderts Amtmann auf
der Wartburg war, in Zusammenhang gebracht.173
Zwar spricht nichts dafür, dass Rothes Schrift eine nennenswerte Verbrei-
tung erfuhr; lediglich eine Handschrift ist überliefert,174 die Breitenwirkung des
Textes dürfte somit eher gering gewesen sein. Dennoch hat man eine gewisse
Repräsentativität der darin ausgesprochenen Ansichten behaupten können.175
Das gilt zunächst, wenn man den Text im Zusammenhang mit den um 1400
entstehenden Kriegslehren von Johann Sefner und anderen sieht,176 aber auch
mit Blick auf die oben umrissene französische Diskussion. Wie die französischen
Reformschriften ist Rothes Ritterspiegel in weiten Teilen durch die Rezeption von
Quellen der geistlichen, gelehrten und juristischen Tradition geprägt, vor allem
durch eine nachgerade systematische Verwendung von Vegetius' Traktat De re
militari.177 Der inhaltliche und geistige Horizont von Rothes Ritterspiegel ist
zweifellos enger als der der französischen Reformer. Wo diese mit Blick auf eine
gesamtgesellschaftliche Reform argumentieren, hält sich Rothe im Rahmen einer
Standes- bzw. Ritterlehre, und der politische Hintergrund seines Werkes ist nicht
der der westeuropäischen, protostaatlichen Monarchien, sondern der eines
mitteldeutschen Territorialstaates, der Landgrafschaft Thüringen. Bei allen
Einschränkungen kann man jedoch sagen, dass Rothes Text - wie diejenigen der
französischen Reformer - für stadt- und vor allem fürstennahe Positionen steht,
die von Intellektuellen mit juristischer und gelehrter Bildung formuliert wurden

172 Zu Rothe Verfasserlexikon VIII.277-285 (V. Honemann); Honemann, Johannes Rothe; Hahn,
Geschichte, pass., insb. S. 284 f.; Peters, Literatur in der Stadt, S. 242-248; zum Ritterspiegel
besonders Kalning, Kriegslehren.
173 Rothe, Ritterspiegel, S. 3 (Huber/Kalning); Hahn, Geschichte, S. 349; Petersen, Rittertum, S. 49.
174 Siehe Rothe, Ritterspiegel, S. 3-6 (Huber/Kalning). Hahn, Geschichte, S. 349.
175 Rothe, Ritterspiegel, S. 16 (Huber/Kalning)
176 Siehe Kalning, Kriegslehren. VgL auch Krüger, Rittertum, insb. S. 311 f., 323, 325 zu Konrad von
Megenberg; Kalning, Ritter zum Schachzabelbuch des Konrad von Ammenhausen.
177 Zu den Quellen von Rothes Ritterspiegel Kalning, Kriegslehren, S. 100f., zur Vegetius-Rezeption
ebd. S. 100-122. Die Thesen von Petersen, Rittertum, S. 50-58 sind nach den Studien von Pamela
Kalning zu revidieren. Zusammenfassend Hahn, Geschichte, S. 347. Nachweis der Quellen im
einzelnen in der Edition von Huber/Kalning (Rothe, Ritterspiegel).
 
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