Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schreier, Gero; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ritterhelden: Rittertum, Autonomie und Fürstendienst in niederadligen Lebenszeugnissen des 14. bis 16. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 58: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54852#0192

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4.5. Pierre de Bayard

191

lag. Beide Texte reflektieren dies gleichsam durch eine argumentative Umlei-
tung: Die adlige Agonalität führt zwar nicht zu dauerhafter eigener Herr-
schaftsbildung, aber sie ist die wesentliche Stütze, ja die Existenzgarantie
schwacher oder angefochtener fürstlicher Herrschaften. Die ursprüngliche, für
die traditionelle adlig-ritterliche Selbstrepräsentation zentrale Verbindung zwi-
schen adliger Agonalität und Herrschaft bleibt damit gewahrt, und zugleich
werden die betreffenden Fürsten diskursiv in eine schwache Position versetzt,
deren Durchsetzung und Aufrechterhaltung erst durch ihre niederadligen Die-
ner ins Werk gesetzt wird.

4.5. Pierre de Bayard
Eine hergebrachte Forschungsmeinung stellt Pierre de Bayard als den prototy-
pischen Vertreter eines konservativen, altmodischen Rittertums in der begin-
nenden Neuzeit dar, dessen Tod durch eine Geschosskugel - wie im ähnlichen
Fall des Jacques de Lalaing - als Symbol für den Niedergang des Rittertums
gesehen wurde.254 Es verdient hervorgehoben zu werden, dass diese Identifi-
zierung des Rittertum mit der Gestalt des Bayard ihre Wurzeln schon im
16. Jahrhundert selbst hat: Das überlieferte Bild Bayards lässt sich auf bestimmte
Modellierungen zurückführen, die schon zu seiner Zeit und kurz nach seinem
Tod - Bayard war Ende April 1524 im Kampf gegen kaiserliche Verbände in der
Nähe von Novara gefallen255 - in Umlauf kamen. Zu denken ist dabei vor allem
an die 1525 bzw. 1527 veröffentlichten Biographien von Symphorien Champier
und dem „Loyal Serviteur", welcher wahrscheinlich mit Bayards Kampfge-
fährten und Sekretär Jacques de Maille identisch ist.256 Wenn sich aus diesen
Werken ein besonders ,ritterliches' Bild des Bayard herauslesen lässt, so ist die-
ses, wie die Forschung gezeigt hat, auch als Reaktion auf die nachteilige Ent-
wicklung der französischen Italienpolitik in den 1520er-Jahren zu sehen, als die
Franzosen eine Reihe militärischer und politischer Niederlagen - bis hin zur
Gefangennahme Franz' I. durch kaiserliche Truppen bei Pavia im Jahr 1525 -
hinnehmen mussten.
Angesichts dieses Bildes stellt sich, wie zuvor schon, die Frage, was in diesem
Zusammenhang mit „Rittertum" und „ritterlich" eigentlich gemeint sein kann.
Ist Bayard tatsächlich, wie die ältere Forschung meinte, der Vertreter eines an-
tiquierten sozialen und militärischen Codes, der mit ihm von den Schlachtfel-
dern verschwand? Ein erneuter Blick auf die Histoire de Bayart zeigt, dass dieser
Text das traditionelle adlig-ritterliche Wertesystem reflektiert, welches indivi-
duelle Auszeichnung und Tapferkeit sowie persönliche Ehre hochstellt, dass er
diese Paradigmata aber durchaus in der Mitte eines zeitgemäßen Bildes adliger

254 Vgl. Jacquart, Bayard; Loganbill, Contrast.
255 Zu Bayards Tod Le Roux, Crepuscule, S. 292 f. Zum Kontext Monnet, La demiere Campagne;
Mallett/Shaw, Italian Wars, S. 146-148.
256 Vgl. oben S. 34 f. Dort auch die wichtigsten Nachweise zum Folgenden.
 
Annotationen