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Schreier, Gero; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Ritterhelden: Rittertum, Autonomie und Fürstendienst in niederadligen Lebenszeugnissen des 14. bis 16. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 58: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54852#0220

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5. Ritterheld und Diener der Monarchie:
zum postumen Heldenruhm des Bertrand
du Guesclin
Um 1440 schreibt der burgundische Adlige Hugues de Lannoy in seinem Ens-
eignement de vraie noblesse: [...] un Chevalier d'Angleterre pourroit prendre exemple
aux nobles fais et vertus de messire Bertrand du Claquin qui estoit Chevalier franqoys, et
pareillement ung gentil homme de Erance ou d'Ailemaigne a ung d'Angleterre.1 Rit-
terliche Vorbildlichkeit so wird dem Leser hier mitgeteilt, macht nicht an den
Grenzen der Länder halt; vielmehr, so wäre zu interpretieren, ist das, wofür der
Konnetabel des späten 14. Jahrhunderts steht, sind seine „edlen Taten und Tu-
genden" (nobles fais et vertus) inter-,national' gültig. Da das Verhältnis des Valois-
Herzogtums Burgund zum französischen Königreich bekanntlich keineswegs
spannungsfrei war, will es umso mehr besagen, wenn ein burgundischer Adliger
aus Hofkreisen sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf Bertrand du Guesclin
als auf einen exemplarischen,Helden' bezieht, den man gemeinhin ausdrücklich
einer französischen, noch dazu französisch-royalen Tradition zuzuschlagen ge-
neigt ist.2
Der Ruhm des Bertrand du Guesclin im französischen Sprachgebiet bis ins
15. Jahrhundert ist außerordentlich. Die Erwähnung durch Hugues de Lannoy
ist keineswegs der einzige Beleg dafür. Für Alain Chartier ist le bon Bertran das
Inbild jener alten Zeiten, da die Ritter noch nicht in heller Flucht vor dem Feind
Reißaus nahmen - eine Kontrastfigur zu den feigen Rittern, denen eine der
Damen in Chartiers Eivre des quatres dames (ca. 1416/17) die Schuld an der ver-
lustreichen Schlacht von Azincourt zuschreibt.3 Auch im Jouvencel (ca. 1462-65)
des Jean de Bueil wird an Bertrand du Guesclin erinnert. Dort belehrt ein
Kriegsmann den jugendlichen Protagonisten über die Vorzüge des Waffen-
handwerks gegenüber dem Leben bei Hofe und äußert unter anderem, das
Waffenhandwerk mache sich für die Kämpfenden immer mit Ruhm bezahlt,
müssten sie auch sterben oder in Armut leben, wofür er die Ritter Gadifer de la
Salle und eben Bertrand du Guesclin als Exempla heranzieht. Bezüglich des
Letzteren scheint dabei Cuveliers Charakterisierung Bertrands als „arm und mit
wenig Besitz" nachzuklingen:
,[...] les armes payent tousjours leurs souldoyers, c'est assavoir: ou de la mort,
ou de vivre povre et honnoure et que chascun parlera de vous et des vostres,
dont il sera renommee apres vous, comme il a este de messire Bertran de

1 Brüssel, KBR, ms. 11047, f. 15r, zit. nach Sterchi, Umgang, S. 213, Anm. 125. Zur Identifizierung
des Autors siehe Sterchi, Hugues de Lannoy.
2 VgL Vermijn, Chacun, S.741 f. Ebd., S. 738 f. zur Verbreitung der Chanson de Bertrand du Guesclin
in Burgund.
3 Chartier, Poetical Works, S. 282 (V. 2783).
 
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