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SCHONGAUER=ZEICHNUNGEN IN DRESDEN

von
MA X LEHRE
Bei Gelegenheit meiner Veröffentlichung der Kupferstiche Martin Schon-
gauers1) fiel mir auf, daß es eigentlich keine zusammenfassende Arbeit
über die Handzeichnungen dieses großen deutschen Meisters gibt, die den
Versuch wagte, die Menge der ihm in öffentlichen und privaten Samm-
lungen mit mehr oder minder Berechtigung zugeschriebenen Blätter kritisch
zu sichten und die Spreu vom Weizen zu scheiden. Diese Aufgabe ist
ebenso schwierig wie verlockend, und ich möchte die nachstehenden Bemer-
kungen, die sich an die wenigen echten Zeichnungen seiner Hand in Dresden
knüpfen, nicht als eine Lösung, sondern lediglich als die Vorarbeit für eine
solche angesehen wissen.
Schongauer hat sich, wie es scheint, bei seinen Zeichnungen ausschließ^
lieh der Feder bedient, deren Führung, wo es sich nicht um flüchtige Skiz-
zen handelt, ziemlich genau seiner Stichweise entspricht und den geborenen
Graphiker verrät. Er modelliert mit langen, geschwungenen Schraffierungen
und behandelt namentlich die Haare in einer ornamentalen, gewissermaßen
heraldisch = stilisierenden Art. Die Mehrzahl seiner Zeichnungen besteht
aus Köpfen von Orientalen, Schergen und Greisen, wie wir sie von den
Passionsszenen aus den Kupferstichen des Meisters her kennen, aber auch
aus Madonnen- und Heiligengestalten. Seltener sind Szenen aus der
Leidensgeschichte oder profane Darstellungen.
Die ursprünglich vorhandene Zahl Schongauerscher Zeichnungen muß
sehr groß gewesen sein und die meisten wurden anscheinend schon bei
seinen Lebzeiten viel kopiert. Das geht aus der Tatsache hervor, daß unter
der großen Menge von Federzeichnungen, die in den Sammlungen unter
Schongauers Namen gehen, nur ein ganz geringfügiger Bruchteil als eigen-
händig betrachtet werden kann. Die überwiegende Mehrzahl ist in der
Ausführung zu schwach, um für etwas anderes gelten zu können als Kopi-
stenarbeit. Daß diesen Blättern aber in jedem Fall verschollene Originale
des Meisters zugrunde lagen, läßt sich aus ihrer durchaus Schongauerischen
Formensprache leicht erkennen. In einigen seltenen Fällen sind auch Origi-
nal und Kopie erhalten ’2>.
Den reichsten Bestand an sogenannten Schongauer-Zeichnungen hat
die Öffentliche Kunstsammlung in Basel aufzuweisen, und Eugene Müntz
l> Martin Schongauers Kupferstiche, V. außerordentliche Veröffentlichung der Gra-
phischen Gesellschaft. Berlin, 1914.
2) Nr. 2 und 16 des nachfolgenden Verzeichnisses.

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