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DER TAFELAUFSATZ AUS DEM SERVICE
DES GENERALFELDMÄRSCHALLS
GRAFEN VON MÜNNICH
von
ERNST ZIMMERMANN
achdem Böttger glücklich im Jahre 1709 das Porzellan der Chinesen end-
1 gültig nacherfunden hatte und man nun daran ging, sein Material
praktisch zu verwenden, ließ man doch merkwürdigerweise geraume Zeit
verstreichen, bis man den Versuch wagte, aus diesem auch ganze Eßservice
herzustellen, obgleich man ja sonst, wie die Dresdner Sammlung zur Genüge
beweist, sich damals keineswegs davor scheute, aus ihm schon erstaunlich
große Stücke in Gestalt von Prunkvasen u. dergl. herzustellen. Der Gründe
hierfür mögen zunächst zwei gewesen sein. Einmal besaß man damals
auch im chinesischen und japanischen Porzellan noch keine als Service zu
bezeichnende gleichartige GeschirrfolgenV Es gab wohl, wie die Dresdner
Sammlung lehrt, ganze Stöße gleichgemusterter Teller. Aber es fehlten die
dazu passenden Terrinen, Deckelnäpfe, tiefen Schalen usw., die jene erst
zu einem wirklichen Service gemacht hätten. So war die Idee eines voll-
ständigen Speiseservices in Porzellan damals eine Neuerung, die erst gefaßt
werden mußte, bevor sie zur Ausführung gebracht werden konnte. Dann
aber dürften die vielen, sich vorwiegend in der Horizontale erstreckenden
Gegenstände, die den hauptsächlichsten Teil eines Services auszumachen
pflegen <da es immer schwieriger ist, solche, als stark emporstrebende
Gegenstände in Porzellan herzustellen>, von der Schaffung letzterer zunächst
abgeschreckt haben. Erst um die Mitte der zwanziger Jahre, mithin etwa
16 Jahre nach der Nacherfmdung des chinesischen Porzellans, ist dann in
dieser Beziehung die Wendung eingetreten, und es wird, da die ersten Ser-
vice alle für den König August den Starken angefertigt wurden, der Wunsch
des Königs selber gewesen sein, der ihre Herstellung veranlaßte. Es ent-
standen nun — anscheinend in rascherFolge — gleich deren vier: das bekannte
Service mit »dem sächsisch-polnischen Wappen«, das mit dem »gelben
Löwen«, das »rote Drachenservice«, und schließlich das sogenannte »Jagd-
service« mit seinem schönen gelben Grund2>. Damit dürfte die königliche
Hoftafel wohl zunächst ausreichend versorgt gewesen sein.
Derartige Service kommen im chinesischen Porzellan, soweit ich habe feststellen
können, nur in den Farben der reiferen »Rosafamilie« vor, also kaum vor der Mitte des
18. Jahrhunderts.
2) Wenn Berling in der Festschrift zur 200 jährigen Jubelfeier der Meißner Manufaktur
1910, S. 26, behauptet, daß von diesen Servicen das rote Drachenservice erst 1736 und das
gelbe Löwenservice erst 1738 an den Hof geliefert worden sei, so dürfte er hier einem Miß-

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