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DIE DRAHTZIEHBANK DES KURFÜRSTEN
AUGUST IM MUSEE DE CLUNy ZU PARIS
von
ERICH HAENEL
Der wirtschaftliche Aufschwung Sachsens in dem Zeitalter nach der Refor-
mation ist zum wesentlichen Teil ein persönliches Verdienst des Kur-
fürsten August. Die außerordentliche Regsamkeit dieser zwar schwunglosen,
aber an allen geistigen Interessen lebhaft anteilnehmenden Natur wirkte wie
ein lebendiger Sauerteig in der Gesamtheit der ökonomischen und kulturellen
Zustände und Bestrebungen des Kurstaates. Setzte sich das unermüdliche
Schaffen des Landesherrn in Werte um, die den Wohlstand und die intelleE
tuelle Entwicklung des Volkes aufs deutlichste bereicherten, so spiegelt sich
die geistige Beweglichkeit und Vielgeschäftigkeit des Fürsten in den Bildern,
die wir von seinem Hofstaat, von seinem Privatleben besitzen. Unter den
Gebieten wissenschaftlicher Betätigung, denen er seinen Anteil schenkte,
stehen die naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen an erster Stelle.
Alchymistische Versuche und alle Beziehungen zur Astrologie und der da-
mit verbundenen Magie, auch die zur Physiognomik und Geomantie mag
man auf das Konto des Hanges zu jeder Art Aberglauben und romantischer
Ubersinnlichkeit setzen, der für die geistige Verfassung auch der Gebildet-
sten jener Zeit bezeichnend war. Daneben aber stand Augusts Sinn durch
seine Beschäftigung mit allerhand technischen Fragen und durch sein aus-
geprägtes Talent für handwerkliche Übung jeder Art auf dem festen Boden
der praktischen Wirklichkeit. Das Historische Museum besitzt heute noch
einen Schatz von mehreren hundert Stücken Handwerkszeug, der von der
mehr als dilettantenhaften Tätigkeit des erlauchten Herrn auf diesem Felde
kräftig Zeugnis ablegt.
Als Tischler und Drechsler, als Schlosser und Metallarbeiter hat Kur-
fürst August diese Werkzeuge geführt. So unübersehbar der Reichtum dieser
in ihrer Art einzigen Sammlung an technischen Feinheiten und Gebrauchs^
möglichkeiten, so vollendet die materielle Durchbildung jedes einzelnen Stü-
ckes ist, so vornehm und geschmackvoll zeigt sich die künstlerische Verzie^
rung dieses Inventars einer fürstlichen Werkstatt. Die meisten Gegenstände
sind, soweit sie aus Eisen bestehen, mit Ornamenten in Atzung bedeckt,
die Holzteile sind geschnitzt und im besten Renaissancestil ausgestaltet. Und
überall steht der Schmuck im vollen Einklang mit der Zweckform, ordnet
sich der Bestimmung des Stückes als Instrument des Schneidens, Feilens,
Bohrens oder Schlagens durchaus unter. Als Verfertiger des größten Teiles
dieser Werkzeuge dürfen wir den später hochberühmten Oberzeug- und

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