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DER TAFELAUFSATZ DES GRAFEN VON MQNNICH

Wundervoll aber ist die Modellierung der beiden Halbfiguren des
Korbes, die sicherlich an einem so frühen Hauptstück von Kändler selber
ganz durchgeführt sein wird. Nichts ist an ihnen kleinlich und ängstlich.
An breite Flächen reihen sich kräftige Unterschneidungen. Alles ist
zielbewußt auf Schatten- und Lichtwirkungen angelegt. Kändler war hier
bei diesen rein dekorativen Schöpfungen freier als bei seinen vielen EinzeL
figuren und Gruppen, die sich doch immer enger an das wirkliche Leben
halten mußten, und er hat diese Freiheit aufs kräftigste ausgenutzt. Diese
figuralen Schöpfungen gehören unzweifelhaft zu den allerschönsten, die wir
von seiner Hand kennen. Sie zeigen das ganze Können dieses Künstlers
in seiner ersten Jugendentfaltung.
Neben der plastischen Belebung dieses Stückes ist seine malerische
ziemlich einfach gehalten. Es wirkt vor allem der Gegensatz von Gold und
Weiß, doch auch dieser mit starker, von feinstem Geschmack geleiteter
Zurückhaltung. Dafür sind die beiden Halbfiguren farbig desto kräftiger
betont, und hier hat Kändler sich der ganzen, so reichen und prächtigen
Farbenpalette Herolds bedient, die dieser schon bald nach seiner Berufung
an die Meißner Manufaktur aus eigner Kraft sich zu schaffen gewußt
hat. Das so beispiellos kräftige Feuerrot, das an vielen der frühen figuralen
Schöpfungen Kändlers entzückt, wie das nicht minder kräftige Gelb bedeckt
ihre Gewandungen, indeß ihre Federbüsche auch noch in den übrigen Far-
ben prangen. Es ist damit an diesen Stellen eine Farbenharmonie ent-
standen, wie eine solche in dieser Kraft und Reinheit im 18. Jahrhundert
nur die Meißner Manufaktur hat hervorbringen können und auch nur in
dieser Epoche, da der noch vorherrschende Barockstil allein solche Kraft und
Reinheit der Farben zuließ.
« *

So stellt sich dieser Aufsatz nach allen Richtungen hin als ein ganz
hervorragendes Erzeugnis der Meißner Manufaktur dar, zugleich auch als
eine ihrer ersten größeren und reicheren Leistungen. Verglichen mit den
Hauptstücken des nun bald folgenden Brühlschen »Schwanenservices« zeigt
es die Aufgabe, ein größeres Prunkstück für die Festtafel in Porzellan her-
zustellen, in ganz anderer Lösung als jene, aber wohl kaum in einer schlech-
teren, da jene es wohl kaum in der Klarheit und Mäßigung der formalen
Gestaltung, sowie der Folgerichtigkeit der farbigen Behandlung erreichen.
Nur ein wirklich bedeutender Künstler vermochte gleich bei einem so frühen
Versuche etwas so Wirksames, Ausgereiftes zuWege zu bringen. Und so
ist dies nun für die Dresdner Sammlung gewonnene Werk ein neuer Be-
weis für das geniale Können seines Urhebers, das von Anfang an bis zum
letzten Werke des Meisters in hohem Alter sich stets in gleicher Stärke
bekundet hat.

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