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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Breuhaus de Groot, Fritz August: Landhaus und Landschaft: Haus Andreae, Feldafing am Starnberger See
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0021

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üppiger Wiesenmatten und locker verstreuten, jedoch kräftig
entwickelten Baumbestandes auf einer wellig ausschwingenden
Kuppe des sanft geneigten Geländes, von dem aus der Blick
zum See hin über Hang und Tal schweift. Den Proportionen
der Bodenbewegungen entsprechend erhebt sich hier der Bau
in flacher Erstreckung nur wenig empor, überragt noch von
den Wipfeln flankierender Baumgruppen, zwischen denen nun
die Reihen der hohen Fenster lichttrunken hervorlugen.
Aber mit der Wahl des Bauplatzes war das Problem land-
schaftlich gebundener Architektur noch nicht gelöst. Die Form
des Hauses selbst mußte den Geländeformen unmittelbar an-
gepaßt und ganz organisch mit ihnen verwachsen sein. So
ergab sich denn der geschwungene nierenförmige Umriß des
Hauses, dessen rund abgefangene Schmalseiten zum anstei-
genden Hang zurückstreben. Hierdurch konnte sich die Haupt-
front wiederum in größter Ausdehnung zur See- und damit
in diesem Falle zugleich zur Sonnenseite hin entfalten. Solche
durch die natürliche Lage bedingten Möglichkeiten und Vor-
züge künstlerischer Gestaltung feinfühlend empfunden und
ausgewertet zu haben, spricht für ein ausgeprägtes Raumge-
fühl der Architekten, die den Bau mit so überzeugender Wir-
kung in den Landschaftsraum einzufügen verstanden. Fritz
August Breuhaus’ großer Ruf beruht ja zu einem großen Teile
auf seiner außerordentlichen raumkünstlerischen Begabung, die
sich hier in ihrer Nutzanwendung auf den Naturraum offenbart.
Hatten sich die Architekten bis zur Wahl der Baustelle
und zur Konzeption der großen Bauform vor allem mit der
umgebenden Natur auseinanderzusetzen, so tritt nun bei der
architektonischen Ausgestaltung der baukünstlerischen Idee der
Bauherr mit seinen Wünschen der Zweckbestimmung stärker
in den Vordergrund. Und wie der allgemeine Baucharakter
des Landhauses aus -dem Landschaftsbilde erwachsen sein muß,
so kann eine organische Hausform nur auf Grund ihrer Zweck-
bedingtheit von innen heraus entwickelt werden. Bei dem
Haus Andreae handelte es sich darum, einer zahlreichen und
gastfreien Familie die Möglichkeit eines behaglichen Land-
aufenthaltes zu bieten. Es kam also darauf an, möglichst viele
Unterkunftsräume zu schaffen und diese wiederum so prak-
tisch wie möglich einzurichten, damit der Aufenthalt ohne
großen Aufwand an Personal durchgeführt werden konnte.
Da nun nach der Seeseite das Haus am breitesten entfaltet
und diese Hauptfront zugleich auch Sonnenseite ist, ergab
sich ohne weiteres die innere Aufteilung derart, daß alle Wohn-
und Schlafräume an der breiten, konvexen Seeseite angeordnet
wurden, während die Wirtschaftsräume und sonstigen Neben-
gelasse nach der konkaven Innenseite verlegt werden mußten.
Damit war einerseits eine außerordentlich klare Gruppierung
der Räume erreicht, die bei der geschwungenen nierenför-
migen Gestalt des Hauses noch besonders überrascht, ander-
seits aber eine so sinngemäße Orientierung der Zimmer zum
Sonnenlicht gewonnen, daß geradezu von einer idealen Lö-
sung gesprochen werden kann. Das Erstrebte wurde zur Tat-
sache, daß die vom Architekten aus der Natur heraus emp-
fundene künstlerische Form und die rationale Zweckform
sich zur wundervoll harmonischen Einheit vermählten.
Durch das Zusammenwirken von Zweckmäßigkeit und
Angleichung an die umgebende Natur vervollkommnete sich
nun die Gestalt des Hauses Andreae immer mehr. Eine schmale
Terrasse, mit Paintner Platten belegt, umzieht fast das ganze
Erdgeschoß, wiederholt den weichen Schwung des Grund-

risses in annähernd konzentrischem Fluß und läßt diese Ab-
stufung in einer breiteren, ein wenig tiefer gelegenen Vor-
terrasse an der Seeseite allmählich in die Wellenbewegung
des Hanges ausklingen.
Auch das Obergeschoß ist, dem Erdgeschoß entsprechend,
von einer Terrasse umsäumt, jedoch nur an der Ost- und Süd-
seite; mit Rücksicht auf die dicht anschließende Gruppe dreier
Eichen unterblieb sie an der Westfront des Hauses. Schüt-
zend ist hier an der Wetterseite das Dach tief herunterge-
zogen. Diese massiv hölzerne Galerie des Obergeschosses, zum
Teil von kräftigen Stützen aus Fichtenholz unterfangen, nimmt
noch einmal die Linien der Geländebewegung auf, um sie
oben im Dachrande zum letzten Male wiederkehren zu lassen.
Ganz bewußt ist nun der obere Abschluß des Hauses mit
Rücksicht auf das Einfügen in die Naturumgebung gewählt
worden. Die Dachbedeckung besteht aus imprägniertem Rohr.
In dieser Gegend ist die Verwendung solchen Materials keines-
wegs herkömmlich und gebräuchlich, aber in neuerer Zeit ist
es bei Landhausbauten schon verwendet worden. Es zeigt sich
nun in der Tat, daß solche Schilfrohrbedachung mit ihrem war-
men grauen Ton sich in das Landschaftsbild glücklicher und
naturhafter einschmiegt als Ziegel- oder Schieferbedachung,
deren Oberfläche nur langsam verwittert und erst nach langer
Patinierung den erwünschten matten Ton erhält.
Auf Grund all dieser Faktoren tritt nun der Bau in seiner
Umgebung keineswegs als eigenwilliges menschliches Werk
in Erscheinung; mit gewisser Selbstverständlichkeit verzeich-
net man vielmehr seine Existenz in der Natur, als ob er mit
ihr eins sei oder doch wenigstens seit langem schon errichtet
und von der umgebenden Natur im allmählichen Wachstum
aufgesogen wäre und sich angeglichen hätte. Eine organische
Bodenerhebung stellt dieses Gebäude gewissermaßen uns dar,
geschaffen als Bekrönung dieser Geländekuppe. Wie bei allen
großen naturhaften Kunstwerken vergißt man über solcher
Selbstverständlichkeit künstlerischer Gestaltung, daß sie doch
tatsächlich vom Künstler erst konzipiert und geschaffen wer-
den mußte. Man übersieht zu leicht, daß gerade die künst-
lerischen Gestaltungsfaktoren erst diese organische Einheit
herbeigeführt haben. — Ist man sich dessen bewußt, so er-
kennt man die weise Zurückhaltung in der Behandlung der
Hauswände, die dem beherrschenden Linienrhythmus des Gan-
zen scheinbar nur Folie bedeuten, in Wahrheit aber in wohl-
abgewogenem Verhältnis zueinander stehen und wiederum
in ihrer flächigen Aufteilung durch die Fensteröffnungen einen
neuen rhythmischen Klang offenbaren. Mit solcher Wirkung
verbindet sich noch der verhalten frohe Farbenakkord des
italienischen Altrosa der Erdgeschoßwände und des warmen
Gelb des Obergeschosses, zwischen denen das stumpfe Braun
der mit Carbolineum getränkten Holzgalerie kraftvoll vermittelt.
Solch schlichte, große architektonische Formung bedeutet
in der Entwicklung des Architekten F. A. Breuhaus einen
gewissen Höhepunkt. In seinem Schaffen kommt jetzt eine
Ausgeglichenheit und wohllautende Ruhe zum Ausdruck, die
den Künstler in voller Beherrschung aller Gestaltungsmöglich-
keiten zeigt. Hier war auch gerade die Konstellation für solches
Werk besonders günstig, die sich aus der überaus glücklichen
und dankbaren Zusammenarbeit mit seinem Mitarbeiter, Re-
gierungsbaurat a. D. Roßkotten einerseits, beider Architekten
mit dem Bauherrn bzw. der Bauherrin anderseits ergab. Denn
es ist in diesem besonderen Falle vor allem der Geist der
 
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