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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. IV
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Neuere Arbeiten von Muthesius, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0155

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Geh. Reg.-Rat Dr. Hermann Muthesius, Berlin-Nikolassee
Haus Neuburg in Leitmeritz (Böhmen). — Gesamtansicht


NEUERE ARBEITEN VON MUTHESIUS, BERLIN

Eine Veröffentlichung neuerer Muthesius’scher Arbeiten
darf wohl weitgehendstes Interesse beanspruchen, ist
doch Muthesius einer unserer bedeutendsten Pioniere des
Wohnhausbaues. Wenige haben so viel und tiefgehend
über die weitverzweigten Fragenkomplexe dieses Ge-
bietes nachgedacht wie er. Ohne Zweifel verdanken wir
seiner Tätigkeit eine erfrischende Kopfsäuberung von
vielen verhängnisvollen Vorurteilen. Denn — angeregt und
befruchtet von der sachlich gediegenen, hochentwickelten
englischen Wohnungskultur — dringt Muthesius immer
wieder auf den Kern der Sache: das Wohnen. Kein
hohles Repräsentieren, sei es mit falschem Tand oder
mit unzweckmäßiger großer Raumanzahl und Raumfülle,
kein Haus als Standesangelegenheit also, das den Be-
wohnern zur erdrückenden Last wird, sondern ein Haus
zum behaglichen Wohnen, das — mit den wahren Lebens-
bedürfnissen rechnend — den Bewohnern jede unnötige
Arbeit erspart.
Das Wort „Sachlichkeit“ hat heute einen guten Klang.
Schade nur, daß es als Schlagwort häufig unsachlich
verwendet wird. Das Begleitwörtchen „modern“, mit dem
zusammen es so gerne auftritt, ist verräterisch genug.

Zu allen Zeiten hat es nur eine echte Sachlichkeit ge-
geben. Sie stand nie im Dienste irgend einer Zeitmode.
In den Muthesius’schen Arbeiten glauben wir diese echte,
vom Modeeinschlag freie Sachlichkeit zu finden. Aufs
sorgfältigste wird zunächst bei der Gestaltung eines
jeden Hauses dafür gesorgt, daß die Grundbedingungen
gesunden, zweckmäßigen und behaglichen Wohnens er-
füllt sind: Klares Auseinanderhalten von Wohn- und
Wirtschaftsräumen, sämtliche Hauptaufenthaltsräume nach
der Sonne, Wirtschaftsräume nicht als notwendiges Übel
irgendwo, wo es gerade noch geht, untergebracht, sondern
als selbständiger, reibungslos arbeitender Organismus
dem Hause eingefügt (meist in Form eines besonderen
Flügelbaues), Verbindung zwischen Wohnteil und Wirt-
schaftsteil derart, daß die Verkehrswege möglichst kurz
und zeitsparend sind. Auch in der Wahl der Baumaterialien
erkennen wir das Streben nach Sachlichkeit. Ausschlag-
gebend für die Auswahl ist stets die Art der Benützung
des betreffenden Bauteils, etwas, was sehr selbstver-
ständlich klingt, leider aber durchaus noch nicht allgemein
gebräuchlich ist. Für Muthesius ist eben die Gestaltung
eines Hauses nicht bloß Angelegenheit der Raumkompo-

MOD. BAUFORMEN 1927. IV, 1
 
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