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Ragnar Ostberg, Stockholm
Das Stadthaus in Stockholm, vom Süd-Mälarstrand
RAGNAR OSTBERG/STOCKHOLMS STADTHAUS
VON WILLEM BÄUMER
Es wird heute viel geredet und reflektiert über den
I Ausdruck des Zeitwillens in der Architektur. Der
Ungemein rasche Aufstieg der Technik, die Entwicklung
des Verkehrs, die Organisation der Wirtschaft haben die
Kräfte des modernen Menschen derart in Anspruch ge-
nommen, daß ihm wichtige kulturelle Angelegenheiten
entglitten sind.
In der Baukunst sucht man in strenger Konzentration
auf das unbedingt Notwendige, in knapper Beschränkung
der Form auf nüchterne Sachlichkeit, den Ausdruck der
Zeitströmung zu finden. Gewiß spielt bei uns in Deutsch-
land bei dieser Überschätzung der Wirtschaft die mate-
rielle Not eine wesentliche Rolle; man hält sich an die
äußeren Dinge des Lebens, deren Erstehung schon schwer
genug fällt, und vergißt, daß zur Kunst noch andere
Kräfte eingesetzt werden müssen, denen mit Intellekt
und Reflexion, mit Technik und Wirtschaft nicht bei-
zukommen ist.
Das Stockholmer Stadthaus Ostbergs ist wegen seiner
Formensprache, die man historisierend und zeitfremd ge-
nannt hat, viel umstritten und man hat ihm — bei aller
Würdigung seiner künstlerischen Qualität — aus seinem
Eklektizismus einen Vorwurf gemacht. Rein äußerlich be-
trachtet zeugt das Werk in der Tat von mancherlei Ein-
flüssen und Anregungen. Aber das Übernommene ist so
persönlich aufgefaßt und mit solch eigenblütigem Leben
erfüllt, daß die Frage nach der Herkunft zurücktritt und
allein der Eindruck einer überragenden Kunst bleibt,
MOD. BAUFORMEN 1927. 111,1.
Ragnar Ostberg, Stockholm
Das Stadthaus in Stockholm, vom Süd-Mälarstrand
RAGNAR OSTBERG/STOCKHOLMS STADTHAUS
VON WILLEM BÄUMER
Es wird heute viel geredet und reflektiert über den
I Ausdruck des Zeitwillens in der Architektur. Der
Ungemein rasche Aufstieg der Technik, die Entwicklung
des Verkehrs, die Organisation der Wirtschaft haben die
Kräfte des modernen Menschen derart in Anspruch ge-
nommen, daß ihm wichtige kulturelle Angelegenheiten
entglitten sind.
In der Baukunst sucht man in strenger Konzentration
auf das unbedingt Notwendige, in knapper Beschränkung
der Form auf nüchterne Sachlichkeit, den Ausdruck der
Zeitströmung zu finden. Gewiß spielt bei uns in Deutsch-
land bei dieser Überschätzung der Wirtschaft die mate-
rielle Not eine wesentliche Rolle; man hält sich an die
äußeren Dinge des Lebens, deren Erstehung schon schwer
genug fällt, und vergißt, daß zur Kunst noch andere
Kräfte eingesetzt werden müssen, denen mit Intellekt
und Reflexion, mit Technik und Wirtschaft nicht bei-
zukommen ist.
Das Stockholmer Stadthaus Ostbergs ist wegen seiner
Formensprache, die man historisierend und zeitfremd ge-
nannt hat, viel umstritten und man hat ihm — bei aller
Würdigung seiner künstlerischen Qualität — aus seinem
Eklektizismus einen Vorwurf gemacht. Rein äußerlich be-
trachtet zeugt das Werk in der Tat von mancherlei Ein-
flüssen und Anregungen. Aber das Übernommene ist so
persönlich aufgefaßt und mit solch eigenblütigem Leben
erfüllt, daß die Frage nach der Herkunft zurücktritt und
allein der Eindruck einer überragenden Kunst bleibt,
MOD. BAUFORMEN 1927. 111,1.