Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

DOI Heft:
Nr. IV
DOI Artikel:
May, Bruno: Neue Bauten für die Gemeinde Oberlenningen/Teck
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0182

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
136


Oberlenningen, Ansicht von Gemeindehaus (vorn rechts) und Turnhalle von Norden

NEUE BAUTEN FÜR DIE GEMEINDE OBERLENNINGEN/TECK

/\ls bereits vor dem Kriege die Inhaber der Papierfabrik
L x Scheufeien daran dachten, zu all ihren Industrie- und
Wohlfahrtsbauten der Ortschaft Oberlenningen ein Gemeinde-
haus mit Turnsaal zu errichten, war gewiß noch nicht an das
große Ausmaß gedacht, in dem die Absicht verwirklicht wurde.
Die Stürme des Krieges brausten über den Plan dahin, der
Tornado der Inflation verwehte die bereitgestellten Mittel.
Nicht aber das großzügig gesteckte Ziel.
Sicher waren diese Hemmungen letzten Endes dafür ein
Gewinn! Wenn auch schon vor dem Kriege der Lebensdrang
der Jugend sich mehr und mehr in Vereinigungen seiner selbst
bewußt ward, so hat doch der unglückliche Kriegsausgang
erst recht eigentlich dieser Bewegung zur Klarheit verholten.
Der Gemeinschaftswille der heutigen deutschen Jugend verlangt
nach kameradschaftlichem Zusammenhalt, nach gemeinsamer
körperlicher Ertüchtigung, nach geistiger Aussprache und Aus-
spannung. Allen diesen sportlichen und geselligen Strömungen
— nicht nur der „Jugendbewegung“, sondern der ganzen dafür
reifgewordenenBevölkerungeinenfestenSammelpunktzugeben,
war jetzt die Zeit gekommen. Oberlenningen ward nun das
seltene Glück, eine ideale Erfüllung dieser Zeitsehnsucht durch
die Stiftung eines Gemeindehauses und einer Turn- und Fest-
halle beschert zu bekommen. Die Inhaber der Papierfabrik
Scheufeien fanden sich, wie bei früheren Bauten, mit dem
Architekten Albert Eitel in bewährter großzügiger Baugesinnung
zusammen. Die schwierige Platzfrage ward dank weitgehend-
ster Bemühungen der Gemeindevertretung aufs glücklichste
gelöst. Sie brachte es mit sich, daß man sich für eine räumliche
Trennung beider Häuser entschied. Freilich kann auch ein vor-
treffliches Lichtbild nur eine andeutungsweise Vorstellung des
günstigen Platzes geben. Erst an Ort und Stelle fühlen wir
ganz die Geborgenheit des Dorfes im Schutz der umgebenden
Albberge. Fühlen die prächtige, talsperrende Dominante der
neuen Festhalle, ihre Riegelstellung an der Kreuzung des
Lenninger und Tobeltales, am Fuß des felsbewehrten Wieland-
steines. Auch getrennt verblieb jedem Haus eine Fülle ver-
schiedenster Aufgaben, deren rationelle bauliche Lösung vor-
bildlich gelang. Beide Grundrisse zeichnen sich durch Über-

sichtlichkeit und Klarheit aus. Dieser Geist selbstverständlicher,
nichterzwungener Sachlichkeit formte auch die Innen- und
Außengestaltung. Keine mißverstehende puritanische Strenge
entäußerte sich hier jeglicher Schmuckform; unaufdringlich
dienen sie und die Farbe zur Belebung der Räume. Ihre spar-
same Verwendung am gegebenen Ort enstpricht durchaus dem
der Schmucküberladung so abholden Kunstwillen unserer Zeit.
In diesem Sinne betont beim Eintritt in das Gemeindehaus
ein lustiges, auf des Hauses Zwecke anspielendes Relief von
Prof. Zeltler den tuffsteinumrahmten Eingang. Die Eingangs-
halle, geschmückt mit zwei aus dem Schiefer von Holzmaden
stammenden Versteinerungen, durchzieht, nach beiden Seiten
sich teilend, die ganze Länge des Hauses und bietet damit allen
Räumen Zugänge. Die sonnige Südseite ist der Kleinkinder-
schule und dem Jünglingsvereinssaal, in dem auch der Kon-
firmandenunterricht stattfindet, Vorbehalten. Eine Faltentür
ermöglicht die Vereinigung beider aufeinander gestimmten
Räume. Der lichte, freudige Kinderschulsaal mit seinen bunten
Vorhängen, seinem feingrünen Holzanstrich, seinen besonders
schönen Verhältnissen kann 90 Kinder aufnehmen. Nur hier und
in der Turnhalle ward statt der sonst durchweg verwendeten
Warmwasserheizung mit Bedacht Luftheizung gewählt, die auch
im Sommer Frischluftzuführung ermöglicht. Zwei Türen führen
zur offenen, geräumigen Vorhalle, die je nach Witterung
ebenso wie der anschließende Spielplatz der Kinderschule zur
Verfügung steht. Die Südwestecke füllt der mit der Bücherei
vereinte Leseraum; seine behaglich warme Holzverkleidung ist
in Douglas-Fichte ausgeführt. Überaus schmuck, weiß in weiß
in Fliesen, Kacheln und Anstrich stellt sich die gegenüber-
liegende Lehrküche dar. In der Hauptsache wird das Ober-
geschoß nach Süd, West und Nord durch zwei anheimelnd
eingerichtete, abgeschlossene Wohnungen der beiden Leh-
rerinnen, gen Osten durch die Jugendherberge für Mädchen
ausgefüllt. Endlich stehen 2Wannenbäder für Frauen den Haus-
bewohnern und der Bevölkerung zur Verfügung.
In weit großartigeren Ausmaßen bewegt sich die nahgelegene
Turn - und Festhalle. Ihre Gesamtlänge, einschließlich des
Schwimmbades und Sportplatzes, beträgt 114 m zu 48 m Tiefe.
 
Annotationen