Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

DOI issue:
Nr. VIII
DOI article:
Eisler, Max: Das neue Amsterdam
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0357

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
283


Maßstab 1: 500
Bureau des Stadtarchitekten von Amsterdam
Neues Rathaus in Amsterdam. — Grundriß des 1. und 2. Stockes

Was vor der neuesten Etappe entstanden ist, war Einzel-
bau und eben deshalb notwendigerweise Stückwerk. In die
verschiedensten Teile der Altstadt versprengt, blieb es indivi-
duelle Leistung, die städtebaulich nicht auswirken konnte. Wo
das trotzdem geschah, war das Ergebnis höchst fatal, am
traurigsten in der Nachbarschaft der neuen Börse, auf dem
altschönen Platz, genannt der Dam, dessen ungemein fein
gegliedeKter Raum durch die Regulierung seines Grundrisses
und allerhand plumpe, charakterlose Warenhäuser völlig ver-
nichtet wurde. Aber auch das wertvollere Neuwerk erschien
gelegentlich an falscher Stelle. Das schlimmste, folgenschwerste
Beispiel dieser Art liefert die Situierung des Hauptbahnhofes:
In den Norden der Stadt verlegt, verrammelt er dort, was
weithin hätte offen bleiben müssen, — die Aufrollung des
Hafenortes am Meeresarm des Y. Die Einsichtigen haben
diesen kardinalen Fehler rechtzeitig erkannt, aber sie haben
ihn ebensowenig verhindern können wie das Abdrängen der
Stadterweiterung in das minder geeignete südliche Gelände.
Von dem altstädtischen Kern durch eine breite Zone banaler
Quartiere getrennt, mußte sich die Neustadt von vornherein
in die Rolle des Außenseiters schicken. Die Beweglichkeit von
drüben mit ihren wundervollen, unter Bäumen ziehenden
Grachten, mit den steigenden Brücken, den durchschwingenden
oder verschachtelten Straßen konnte hier nicht wiederholt
werden, sonst wäre die Anlage in geistlose Nachahmung ver-
fallen. Oder anders gesagt: dem organischen Gebilde der
Altstadt mußte ein funktionelles an die Seite treten. Das ist
von Beginn an klar erkannt und dann folgerecht durchgeführt
worden. Die Anlage hat ihren eigenen, auf große ruhige
Blöcke und auf große ruhige Räume gestellten Charakter.
Aber auch dafür gab es in alten abseitigen Wohn- und Speicher-
gassen motivische Voraussetzungen. Und so wurde schon durch
sie — trotz aller Selbständigkeit — die Verknüpfung von hüben
und drüben wieder hergestellt.

Am wichtigsten ist, daß die früher in befremdliche Um-
gebungen verstreuten Bauten jetzt innerhalb eines vorgefaßten
Stadtplanes gesammelt erscheinen. Er ist für den Süden in
der Hauptsache das Werk Berlages, für die übrigen Bezirke
das des städtischen Bauamtes.
Die Organisation dieses Bauamtes befindet sich auf einer
vorbildlichen Höhe. Die Grundlage für seine Wirksamkeit hat
das neue Wohngesetz von 1904 bereitet, durch das der Ge-
meinde die Enteignung wesentlich erleichtert wurde. Das Ge-
setz verhalf aber auch den diversen Vereinigungen für den
Bau von Volkswohnungen zu billigem Kredit aus der Staats-
kasse, den die Gemeinde garantiert. Mit den Genossenschaften
wetteifert als Bauherr die Gemeinde, an dritter Stelle stehen
die privaten Unternehmer von ganzen Wohnvierteln. Einige
Zahlen: Nach einer Aufstellung vom 1. Mai 1924, welche aber
auch schon die für die nächste Zeit veranschlagten Neubauten
enthält, beträgt die Anzahl der Volkswohnungen 40434, wo-
von 15 563 von Genossenschaften, 8399 von der Gemeinde
und 16472 von Privaten errichtet werden; das bedeutet zu-
sammen 20% aller Wohnungen von Amsterdam. Hierfür haben
Staat und Stadt die respektable Summe von fast 140 Millionen
beigesteuert. Und doch sind dabei die höchst kostspieligen
Bauten, welche in den Pflichtenkreis der autonomen Gemeinde
fallen, nicht mitgerechnet: also weder die Schulen aller drei
Kategorien — denn auch die Universität ist Stadtgut —, noch
die mannigfachen Anstalten der sozialen Fürsorge sowie des
kommunalen Haushaltes, der sich hier auch auf die anspruchs-
vollen Erfordernisse des Wasserbaues erstreckt.
Aber diese günstigen materiellen Voraussetzungen, ver-
stärkt durch den kooperativen Geist der Unternehmer, ge-
steigert durch das Zusammenwirken von Stadt und Staat,
erklären doch bloß die Tatsache des großartigen Aufbau-
werkes, nicht auch dessen Qualität. Sie muß eine starke künst-
lerische Quelle haben. Wir sehen sie fürs erste in der Per-
 
Annotationen