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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. XI
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Brückner, Franz P...: Arbeiten von Rolf Distel, Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0512

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414

Ein Mann, der ganz in der Moderne befangen ist, in der
Baugesinnung und dem tektonischen Gewissen, die charak-
teristisch für unsere Zeit der Experimente und eines ungestüm
sich auswirkenden Individualismus sind. Gemein ist ihm mit
den modernen Baukünstlern die unbedingte Sachlichkeit
im praktischen und künstlerischen Charakter des Gebäudes,
gemeinsam ist ihnen allen ein gewisser Ernst, in der großen
Form wie im Detail, der wieder seine Begründung im Ge-
danken der Moderne und in den geistig-kulturellen Strebungen
unserer Zeit findet. Auch Distel übernimmt als Erbe Formen
und Rhythmus in der Weise, daß er ihnen als seinen Ele-
menten bejahend, daß er ihnen jedoch als Nicht-Stilist in
bezug auf ihren künst-
lerischen Charakter kri-
tisch gegenübersteht.
Aufschlußreich für die-
sen Willen und Begriff
ist die Neugestaltung
eines alten Patrizierhau-
ses, die Rolf Distel in
Köln, beauftragt von
Prof. C., vornahm. Edel
und straff ist die Fas-
sade aufgeführt: über-
lieferte Form und ein
Rhythmus, der leise in
einem nachklingt, sind
nicht schlechthin über-
nommen, sie sind künst-
lerisch erlebt, und auf
der Basis dieses Erleb-
nisses ist die Form ge-
schaffen. Ausgehend von
der guten Bautradition
ist die Form neu er-
arbeitet in der Erkennt-
nis ihres innersten We-
sens (S. 417, noch in
Zusammenarbeit mit Reg.-Baumeister F. Krüger). Und im
Innenausbau schwingt lebendig und belebend dieser Rhythmus
fort: irgend, im Innern, ist eine Zelle, in der dieser Rhythmus
gefangen ist und lebt und nach außen vibriert — in diesem
Treppenaufgang (S. 418), in den delikaten Linien der Haustür
(S. 419), in der klingenden und doch sehr gestrafften Kontur
des Herrenschlafzimmers (S. 422), oder in der weichen, ein
wenig koketten, ein wenig verträumten Melodie des Schlaf-
zimmers der Dame (S. 420 u. 421).
Diese Dinge, Fassade, Raum, oder nur ein Sessel, ein
ganzer harmonischer Innenausbau sind herausgeboren aus
einem schönen und reifen Gefühl für Verhältnisse, Maße und
persönliche Eigenheit. Charakter strömt ein in diese Entwürfe,
strömt aus fertiger Arbeit wieder zurück auf Gefühl und
geistige Entspannung; kaum einmal gibt es eine Dissonanz.
Distel ist Eklektiker im besten Sinne; was immer wieder
an seinen Arbeiten frappiert, ist die unbedingte Ehrlichkeit,
mit der er sich mit seinem Problem auseinandersetzt. Es liegt
etwas ursprünglich Naives im architektonischen Schaffen dieses

Mannes, der bei allen bewußt propagierten Kulturansprüchen
im Grunde doch eine ganz schlichte, dem Komplizierten und
schon gar dem verfänglichen Experiment abholde Baumeister-
natur ist.
Die von Distel geschaffenen Landhäuser, Villen, Eigenheime
und Wohnräume sind Muster an Zweckmäßigkeit, Komfort
und glücklicher Raumanordnung. Mit großem Geschick weiß
er das Innere seiner Häuser auszustatten, schafft in seinen
Interieurs eine unaufdringliche Folie für die Bewohner und
weiß ein behagliches, tektonisch durchgefühltes Mobiliar in
aparten Formen zu erfinden und zu gestalten (vgl. S. 423,
das Herrenzimmer R., die Lehnstühle und Sessel S. 425 u. 426).
Eine künstlerisch fein-
durchdachte Lösung stellt
etwa der Bücherschrank
im Hause R. (S. 424)
dar, die preziös vibrie-
rende, doch sehr be-
herrschte und diszipli-
nierte Form des Speise-
zimmers (S. 424 oben).
Man muß diese Dinge
sehen im Einklang aller
außen- und innenarchi-
tektonischen Elemente:
nur wenn sie in der Ge-
meinsamkeit ihrer Er-
scheinungsformen Zu-
sammenwirken, werden
sie verständlich und
wertvoll.
Rolf Distel ist noch
jung, er arbeitet ernst
und zielbewußt an sich
und seinem Werk, denn
Architektur ist im letzten
Betracht Ausfluß einer in
sich gefestigten Persön-
lichkeit, eines ernsten und freien Glaubens, eines überzeugungs-
treuen Gewissens. Reich sind die Aufgaben nicht, die die
heutige Zeit ihm stellt — so nahm er willig den Auftrag an, den
seine kirchliche Genossenschaft in Köln-Mülheim ihm bot: ein
Waisenhaus zu bauen, aus derStiftung Elisabeth Breuer,
d. h. einen Erweiterungsbau zu dem alten, in der konventio-
nellen Gotik der achtziger Jahre aus Kunststeinen landesüblich
hingestellten Haus mit obligater Kapellenfassade.
Hier wird vollends evident, wie weit in baukünstlerischen
Dingen die Zeit in den letzten 30 - 40 Jahren vorangeschritten
ist, wie sehr wir selbst in Kunstanschauung und Formgesinnung
uns gewandelt haben, wie das Zweckbewußte und Elementare
Ausdruck der neuen Epoche geworden ist. Ganz ohne Kon-
zession an zufällig Überkommenes setzt Rolf Distel einen
eigenen Bau hin: einfach, starkzügig, entwachsen aus innerer
Notwendigkeit, in straffen Linien und planvoller Rhythmik
erhebt sich das Haus. Klar und lebendig gliedert sich der
Bau, ausgeglichen in Horizontale und Vertikale; was von go-
tischem Empfinden in dem Künstler etwa lebt, ist geistig


Architekt Rolf Distel, Köln
 
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