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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. XI
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Stuart, D.: Paul László, Stuttgart-Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0544

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442


Architekt Paul Läszlö, Stuttgart-Wien
Villa in der Cottage Wiens. — Ansicht der Einfahrtseite

sie Ungarns „Architektur“ zeigt, nicht in Frage kommen konnte.
Heißt aber auch, daß Läszlö höchst unbeschwert blieb von
allem, was machtvolle Tradition heißt, und daß er nicht in die
Lage kam, sich durch ein architektonisches Glaubensbekenntnis
zu binden, wie das ja wohl heute in Deutschland unter den
Architekten üblich und darum fast auch unvermeidlich ist.
Wenn man ihn darnach fragt, erwidert er höchst naiv und
selbstverständlich: „Mein Schaffen ist nicht ein bewußtes Fern-
halten und Ausschalten des ,Gewesenen*. Nein! Sondern ein
instinktives Streben nach schöpferischer Tätigkeit, nach neuen
Formen: also nach zeitgemäßer Architektur.“ Ich sehe ihn dazu
ein wenig liebenswürdig fatalistisch lächeln, als wollte er sagen,
man kann das überhaupt nicht ausdrücken. Verschont mich
mit euren Formeln. Ich passe in keines dieser Prokrustes-
betten. Er stellt sich — ob bewußt oder unbewußt bleibe
dahingestellt — neben die Programme und Formulierungen,
um die augenblicklich der Kampf geht. Man sollte ihn darum
auch auf dieser Position lassen.
Er spricht von seinem instinktiven Streben nach schöpfe-
rischer Tätigkeit. Die Berufung auf den Instinkt ist bei ihm
kein Fluchtversuch auf ein Gebiet, wo man niemanden mehr
greifen kann. Er hat das Recht dazu. Man sehe sich seine
Schöpfungen an. Ist nicht das Charakteristische an ihnen dieser
hochentwickelte Raumsinn, dieses Bedürfnis, aus Möbeln, Wand-
verkleidung und einzelnen Formen ein Raumbild von höchst
eindringlicher Wirkung zu schaffen? Ist da nicht etwas von
der kompositionellen Begabung des Malers darin enthalten?
Liegt nicht etwas Dichterisches in der freudigen und doch
fein abgestimmten Farbengebung seiner Räume? Das ist
quellende, üppige Phantasie, schöpferischer Impuls und Instinkt,
der da war, noch ehe es Formulierungen gab. Das ist das
Entscheidende bei Läszlö. Und er hat auch den Mut, diese
seine Art „Zeitgemäße Architektur“ zu nennen.
Man wird ihm das gewiß dort verübeln, wo man unter zeit-
gemäßer Architektur nur die Konstruktion von billigen Typen-
möbeln und möglichst arbeitsparenden Wohngeräten begreift.
Man wird ihn als veraltet und als Kunstgewerbler ablehnen,
da wo Rationalisierung als der Inbegriff aller Architektur be-
zeichnet wird. Da wo man einen notwendigen Reinigungs- und
Vereinfachungsprozeß, eine nicht mehr zu umgehende Spar-
maßnahme mit schöpferischer Entwicklung gleichsetzt. „Ein

Dampfer ist kein Parthenon.“ Das gibt ein O u d sogar zu.
Wir fahren fort: Der Konstrukteur einer Wohnmaschine ist
nicht eo ipso ein Architekt, sein Werk nicht ohne weiteres
Architektur. Architektur ist eine Verbindung von Zweck und
Kunst. Und Läszlö hat darum das Recht, auch seine Leistung
unter der zeitgemäßen Architektur einzureihen.
Die Forderung nach einer einfachen und doch anständigen
Wohnung für die weniger Bemittelten darf nicht dazu führen,
die Arbeiter zu verachten, die ihrer ganzen geistigen und schöp-
ferischen Struktur nach nun einmal dazu bestimmt sind, ver-
wöhnteren Ansprüchen und luxuriöseren Möglichkeiten Stil und
Gestalt zu geben. Läszlö gehört zu diesen Letzteren. Seine
Form wirkt am besten im hohen und großen Raum, an Möbeln,
die öfters Feste feiern dürfen als die Einrichtung der Miet-
wohnung. Dieses Merkmal eignet den Arbeiten aller seiner
Epochen und Wandlungen und wird, wie er selbst weiß, immer
bleiben.
Das war schon seine Art, als er noch voller Freude sich in
den Winkeln und Spitzen, und der geometrischen Feingliedrig-
keit auslebte, die vor einigen Jahren plötzlich Mode wurden
und so rasch wieder bei uns weggestorben sind. Es wäre
seltsam gewesen, wenn Läszlö nicht an diesem Versuch, ein
Rokoko des 20. Jahrhunderts zu schaffen, beteiligt gewesen
wäre. Einige der hier gezeigten Arbeiten wird man unbedingt
unter diesem Gesichtspunkt begreifen müssen. Aber es ist
immerhin interessant festzustellen, daß er selbst in dieser
Epoche schon den Weg zu einfacherer, großzügigerer Gestal-
tung sucht, und das moderne Rokoko mehr der Wandbemalung
und dem Beiwerk des Raumes überläßt. Er tritt in der Ge-
sellschaft Wackerles auf, ohne sich ihm ganz zu verschreiben.
Seine neuesten Arbeiten zeigen, daß auch er dem Ruf
nach ruhigerer und ungestörter, großliniger Gestaltung nicht
widerstehen konnte. Daß er ihm Folge leistet, ohne darum in
sterilen Purismus zu verfallen, daß er trotzdem nicht anfing,
konstruktiv zu künsteln, sondern lebendige großzügige Form
beibehielt, das scheint uns der Beweis einer schöpferischen
Begabung, und zugleich das eigentlich Zukunftsreiche an Paul
Läszlö zu sein.
Gut möglich, daß er sich hier in einem Lande, dem er-
zwungene Theorie nur mühsam aufgepfropft werden kann,
wohl fühlen wird.
 
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