10
aus strategischen Gründen angefertigt. Die Städte gelten für sie nur als Zielpunkte oder
Befestigungen, die durch anstürmende Truppen bombardiert oder zur Verteidigung befestigt
werden müssen. Hier machen sich mittelalterliche Paläste und Kirchen mit ihren mächtigen
Ruinen und Trümmern breit, oft für dringende Fortifikationsbauten geeignetes Baumaterial
liefernd. Denkmäler früherer Bautätigkeit verwandeln sich nach italienischen Fachbeschrei-
bungen und ihren Anforderungen entsprechend bald in Basteien, Zitadellen, Zeughäuser,
Kasernen und Proviantämter, die besonders bevorzugt und mit Hast z. B. in Buda, Szeged,
Belgrad, Eszek, Szekesfehörvär, Esztergom, Szolnok, Orsova, Györ, Pozsony, Brod, Siklös und Päcs
erbaut werden. Ferner wurden noch drei wichtige Festungen im Lande errichtet, Temesvär
(Temeschburg, 1723/39 bzw. 1756), Arad (Pläne 1715 und 1725, erneuert 1765/76 bzw.
1790) und Gyulafehdrvär (Karlsburg, 1714/36, unvollendet, Pläne von Giovanni Morando
Visconti); alle drei dienen als Gegengewicht zur Türkengefahr und zur Überwachung von
Siebenbürgen.
Die in den Freiheitskriegen des Ferenc II. Rakoczy in der Wiener Hofburg gemachten Erfah-
rungen beeinträchtigten jedoch den Fortbau von Festungen. Nach 1711 wurden sämtliche
ungarischen Festungen auf Grund eines königlichen Erlasses geschleift, und damit verschwan-
den auch die letzten Überreste der einheimischen mittelalterlichen Baukultur oder wurden
zum Gegenstand späterer Ausgrabungen. Die Zentralmacht beschränkte sich seit dieser Zeit
auf Kasernen- und Arsenalbauten, die jedoch von noch kürzerer Lebensdauer als ihre zer-
störten Vorgänger waren. Das schönste und größte Exemplar dieser Art war wohl das neue
Zeughaus in Buda (erbaut 1725/30), welches seinen Platz erst 1901 für den neuen Flügel des
königlichen Schlosses räumte. Dieser mächtige einstöckige Baukörper mit seinen Risaliten
und Zierden wirkte als sonderbares Gemisch ärarischer Zeughäuser mit gelegentlichen Fest-
dekorationen. Der Entwurf von Johann Matthey legte die ein wenig verprovinzialisierten
Requisiten des österreichischen Barocks mit der düsteren Straffheit der "architectura milit-
aris" zusammen. Die feierlichen und militärisch abgemessenen Formen lassen sich nur noch
aus erhaltenen Plänen ähnlicher Art von anderen ärarischen Bauingenieuren und Meistern des
Festungsbaus ersehen.
In der gleichen Bauart wurden durch die Kammerbaumeister Fortunato Prati und Johann Hölb-
ling* für den Aufbau der Ofener Burg und (allein von Prati) für die Invalidenkaserne (1716)
verfertigt, letztere nach der Konzeption von Anton Erhart Martinelli, bei der in ihrer Gestal-
tung etwas von einer Erlachschen Idee durchschimmert; gelten doch für ihn, den Mitarbeiter
Fischers von Erlach**, als Vorbilder das Hotel des Invalides in Paris, die Wiener Reichskanzlei
und Dientzenhoffers Invalidenpalast in Prag. Sein Entwurf hat eine großangelegte Fassade mit
steifen, eckigen Formen, geschmückt mit zwei an Triumphbögen erinnernden dreifachen
Toreingängen. Diese Pforten sind als verspätete Abkömmlinge norditalienischer Triumph-
bögen zu betrachten, ihr plastischer Schmuck verherrlicht die kriegerischen Verdienste Karls
VI. (III.) und des Prinzen Eugen von Savoyen. Mit einem identischen Programm und ähnlich
schwerfällig geschlossen wirkt auch das Karlstor in Gyulafeh^rvär (Karlsburg/Siebenbürgen,
1718/20), dessen Meister vorläufig noch unbekannt ist und dessen Bauarbeiten durch Eugen
von Savoyen ebenso beschleunigt wurden wie die am Invalidenhaus in Pest.
Dieses Werk Martinellis ist in Ungarn als ein wahrhaft monumentales Denkmal zu betrach-
ten und im Rahmen des österreichischen Barocksals Teilstrecke der frühitalienischen Richtung
zu bewerten. Dieses Riesengebäude ist fürwahr zum Gedenkwerk erhoben worden: der sieg-
reiche Kaiser baut für seine Kriegsveteranen ein architektonisches und plastisch-allegorisches
* Wegen Jänos Hölbling und Fortunato Prati vgl. zwei monographische Artikel von A. Schoen
in Müv6szettört6neti Ertesitö VII/1958, pp. 141-147, u. ebenda IX/1960, pp. 29-35.
** Im Gegensatz zu früheren Behauptungen in der ungarischen Literatur war J. B. Fischer von
Erlach wahrscheinlich nie in Ungarn (vgl. die Rezension der Sedlmayrschen Monographie
von L. Gerö in Müv6szettörtAneti Ertesitö VI/1957. pp. 330-331).
aus strategischen Gründen angefertigt. Die Städte gelten für sie nur als Zielpunkte oder
Befestigungen, die durch anstürmende Truppen bombardiert oder zur Verteidigung befestigt
werden müssen. Hier machen sich mittelalterliche Paläste und Kirchen mit ihren mächtigen
Ruinen und Trümmern breit, oft für dringende Fortifikationsbauten geeignetes Baumaterial
liefernd. Denkmäler früherer Bautätigkeit verwandeln sich nach italienischen Fachbeschrei-
bungen und ihren Anforderungen entsprechend bald in Basteien, Zitadellen, Zeughäuser,
Kasernen und Proviantämter, die besonders bevorzugt und mit Hast z. B. in Buda, Szeged,
Belgrad, Eszek, Szekesfehörvär, Esztergom, Szolnok, Orsova, Györ, Pozsony, Brod, Siklös und Päcs
erbaut werden. Ferner wurden noch drei wichtige Festungen im Lande errichtet, Temesvär
(Temeschburg, 1723/39 bzw. 1756), Arad (Pläne 1715 und 1725, erneuert 1765/76 bzw.
1790) und Gyulafehdrvär (Karlsburg, 1714/36, unvollendet, Pläne von Giovanni Morando
Visconti); alle drei dienen als Gegengewicht zur Türkengefahr und zur Überwachung von
Siebenbürgen.
Die in den Freiheitskriegen des Ferenc II. Rakoczy in der Wiener Hofburg gemachten Erfah-
rungen beeinträchtigten jedoch den Fortbau von Festungen. Nach 1711 wurden sämtliche
ungarischen Festungen auf Grund eines königlichen Erlasses geschleift, und damit verschwan-
den auch die letzten Überreste der einheimischen mittelalterlichen Baukultur oder wurden
zum Gegenstand späterer Ausgrabungen. Die Zentralmacht beschränkte sich seit dieser Zeit
auf Kasernen- und Arsenalbauten, die jedoch von noch kürzerer Lebensdauer als ihre zer-
störten Vorgänger waren. Das schönste und größte Exemplar dieser Art war wohl das neue
Zeughaus in Buda (erbaut 1725/30), welches seinen Platz erst 1901 für den neuen Flügel des
königlichen Schlosses räumte. Dieser mächtige einstöckige Baukörper mit seinen Risaliten
und Zierden wirkte als sonderbares Gemisch ärarischer Zeughäuser mit gelegentlichen Fest-
dekorationen. Der Entwurf von Johann Matthey legte die ein wenig verprovinzialisierten
Requisiten des österreichischen Barocks mit der düsteren Straffheit der "architectura milit-
aris" zusammen. Die feierlichen und militärisch abgemessenen Formen lassen sich nur noch
aus erhaltenen Plänen ähnlicher Art von anderen ärarischen Bauingenieuren und Meistern des
Festungsbaus ersehen.
In der gleichen Bauart wurden durch die Kammerbaumeister Fortunato Prati und Johann Hölb-
ling* für den Aufbau der Ofener Burg und (allein von Prati) für die Invalidenkaserne (1716)
verfertigt, letztere nach der Konzeption von Anton Erhart Martinelli, bei der in ihrer Gestal-
tung etwas von einer Erlachschen Idee durchschimmert; gelten doch für ihn, den Mitarbeiter
Fischers von Erlach**, als Vorbilder das Hotel des Invalides in Paris, die Wiener Reichskanzlei
und Dientzenhoffers Invalidenpalast in Prag. Sein Entwurf hat eine großangelegte Fassade mit
steifen, eckigen Formen, geschmückt mit zwei an Triumphbögen erinnernden dreifachen
Toreingängen. Diese Pforten sind als verspätete Abkömmlinge norditalienischer Triumph-
bögen zu betrachten, ihr plastischer Schmuck verherrlicht die kriegerischen Verdienste Karls
VI. (III.) und des Prinzen Eugen von Savoyen. Mit einem identischen Programm und ähnlich
schwerfällig geschlossen wirkt auch das Karlstor in Gyulafeh^rvär (Karlsburg/Siebenbürgen,
1718/20), dessen Meister vorläufig noch unbekannt ist und dessen Bauarbeiten durch Eugen
von Savoyen ebenso beschleunigt wurden wie die am Invalidenhaus in Pest.
Dieses Werk Martinellis ist in Ungarn als ein wahrhaft monumentales Denkmal zu betrach-
ten und im Rahmen des österreichischen Barocksals Teilstrecke der frühitalienischen Richtung
zu bewerten. Dieses Riesengebäude ist fürwahr zum Gedenkwerk erhoben worden: der sieg-
reiche Kaiser baut für seine Kriegsveteranen ein architektonisches und plastisch-allegorisches
* Wegen Jänos Hölbling und Fortunato Prati vgl. zwei monographische Artikel von A. Schoen
in Müv6szettört6neti Ertesitö VII/1958, pp. 141-147, u. ebenda IX/1960, pp. 29-35.
** Im Gegensatz zu früheren Behauptungen in der ungarischen Literatur war J. B. Fischer von
Erlach wahrscheinlich nie in Ungarn (vgl. die Rezension der Sedlmayrschen Monographie
von L. Gerö in Müv6szettörtAneti Ertesitö VI/1957. pp. 330-331).