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Mojzer, Miklós
Werke deutscher Künstler in Ungarn — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 329: Baden-Baden: Heitz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.73091#0020
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rechten, werden hartnäckige Verteidiger derselben und der Zunftordnung, sie verlangen
von den Neuankömmlingen Geduld, ausländische Studienreisen, oder Aneignung besserer
zeichnerischer Fähigkeiten. Der Kampf gegen außer der Zunft arbeitende Baumeister und
Maurer ist nicht nur der Pfuscher wegen so stark und verbissen (und immer erfolgreich) und
geht oft gegen die Fremden in der Provinz oder die bei Hochadligen angestellten Meister
weiter. Im Laufe des 18. Jahrhunderts überzieht ganz Europa ein allgemeiner Zwist zwischen
akademisch geschulten und zunftmäßig ausgebildeten Meistern. Während nun im Westen die
Bewegung der Akademiker charakteristisch ist, fällt hierzulande - ohne Akademie - das
abwehrende und krittelige Verhalten der Zünfte besonders auf. Seit 1777 lockern sich die
Einschränkungen im Zunftwesen von Pest und Buda, auch schwächt sich die Macht der Zünfte
durch immer stärkere Beschäftigung beamteter und höfischer Baumeister. Durch das fortwäh-
rend sich vergrößernde Stadtleben bleibt das Zunftwesen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts
zwar noch stark genug um einem Mihäly Pollak Hindernisse in den Weg zu legen, erweist
sich dabei jedoch zu einem erfolgreichen Widerstand unfähig.
Die Blütezeit der ungarländischen Zünfte dauerte von 1720 bis 1770. Dieser Zeitraum ist
zugleich in der ungarischen Barock- und Rokokokunst jene Stilepoche, deren Pfleger zu-
meist Meister deutscher bzw. österreichischer Geburt in Pest und Buda sind. Für ihre deutsche
Bildung bedeutet die Ansiedlung schon in der ersten Generation einen Bruch. Ein jeder von
ihnen arbeitet mit schlichtem Fleiß und langjähriger Erfahrung bereitwillig für den Neuauf-
bau; leider fallen ihre Schöpfungen meistens nach einigen Generationen der Entwicklung
zum Opfer. Für Neuankömmlinge bieten sich in der Provinz nur beim Polieren Möglichkeiten
für selbstständige Tätigkeit, aber auch diese Arbeiten sollen von ihnen nach ganz anderen
Ansprüchen als in ihrer früheren Heimat durchgeführt werden. Die großen Beispiele ver-
schwinden allmählich vor ihren Augen, kaum folgen weitere Reisen denen der Jugendzeit,
die Ansprüche werden durch die übrigen Zunftmeister gestellt. Es findet sich kein ungarlän-
discher Zunftmeister, der in irgendeinem seiner Werke etwas außerordentliches zu schaffen
bestrebt war. Auch die Auftraggeber verlangen das nicht von ihnen, nicht einmal die Zunft,
die allein auf einen hohen Durchschnitt achtet und die Ausarbeitung der Projekte zu schwie-
rigen Baulösungen nur bei der Errichtung von Meisterwerken verlangt. Das Maß der Zunft-
meister heißt genaue und gründliche Fachkenntnis, ihre Schlagworte sind "verläßliche Arbeit"
und "solide Ausführung". Was sie während ihrer Ausbildungszeit sich angeeignet haben (und
das geschah immer nach den hervorragendsten Vorbildern der zumeist österreichischen Archi-
tektur), wird im Verlauf ihrer Wirksamkeit erfolgreich verwendet und abgeändert, oft aber
auch weit vom Vorbild entfernt verwirklicht. Die künstlerische Tätigkeit der Zunftmeister
besteht - wenigstens in Ungarn - hauptsächlich in ihrer Anpassung. Ein so hoher Aufschwung
wie bei den Baumeistern des Hochadels und den Mitgliedern der Akademien kann in der Wirk-
samkeit der Zunftmeister nicht beobachtet werden, man kann sagen, daß deren künstlerische
Ansprüche eine Stufe tiefer lägen. Ihre Ideen vereinfachen sich, das Wort des Auftraggebers
ist hier schwerwiegender und der sehnlichst erwünschte Lorbeer alltäglicher. Zunftprotokolle
und Meisterbriefe sprechen stets mit Vorliebe von "allgemeiner Zufriedenheit" und "genauer
Arbeit". Die Schöpfung ist nur an den Auftraggeber gerichtet und beabsichtigt weder in ihrem
Anspruch noch in ihrer Monumentalität die Grenzen der lokalen Gegebenheiten zu über-
schreiten. Hier handelt es sich nicht mehr um Erfolge der Architektur als Kunst, um eine
neue Lösung als Rahmen einer Lebensform und Verhaltensart, hier richten sich die Qualitäten
- kleinodergroß - ans Leben; statt der Versinnbildlichung von etwas Neuartigem rechtfertigen
sie bloß das schon vorhandene. Dieses Verhalten, welches das Zunftleben beherrscht, scheint
von den bezeichnenden Zügen der Provinzialität nicht unbelastet zu sein. Mit Ausnahme von
einigen größeren versinken die Individualitäten im Durchschnitt eines übrigens hohen Niveaus,
der Meister erhebt keinen Anspruch auf seine künstlerische Anerkennung und sein Name wird
erst zwei Jahrhunderte später auf Grund erfolgter Forschungen seinen Werken zurückgegeben,
wo er dem allgemeinen Bewußtsein und der schätzenden Evidenzführung so lange verborgen
blieb.
 
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