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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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sehr heftigen kirchen-reformatorischen Kämpfen einen weltgeschichtlich bedeutsamen
Sieg der Jesuiten darstellt, verstärkt zunächst auch auf künstlerischem Gebiet
diese südlichen Einflüsse, die durch das Studium polnischer Theologen an italieni-
schen Universitäten andauernd Förderung erfahren. Die von Italien ausgehende
Barockkunst wird schließlich von Polen wie von einem dürren Schwamm gierig
aufgesogen. Deshalb ist diese Epoche der Kunstgeschichte für Polen und ins-
besondere die Provinz Posen — das ehemalige Großpolen — die reichste und er-
giebigste, obwohl der einstige Denkmälervorrat schon durch die Verheerungen der
Schwedenkriege in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts stark gelichtet wurde.
Aber auch in dieser Zeit des Barockstils lassen sich — zumal auf kunstgewerb-
lichem Gebiet — Spuren verfolgen, die unsere Aufmerksamkeit immer wieder nach
dem deutschen Westen lenken und gegen die künstlerische Eigenkraft des Ostens
berechtigte Zweifel erwecken. Im Norden Großpolens — in Danzig zumal, das
um seine reformiert-deutsche Haltung schwere Kämpfe durchfocht — treten, durch
den See- und Handelsverkehr erklärt, niederländische und niederrheinische
Kunsteinflüsse mit fortschreitender Erkenntnis immer unzweideutiger hervor. Danzig
aber blieb — zumal seine merkantile und kulturelle Entwicklung in der i. Hälfte des
XVII. Jahrhunderts durch die Kriegsläufte weniger hart bedrängt wurde, als etwa die
der mittel- und süddeutschen Reichsstädte durch den 30jährigen Krieg — für Polen
lange Zeit das Emporium und der Bezugsort wichtiger kunstgewerblicher Erzeug-
nisse, zumal hier die aus dem Westen auf dem Handelswege eindringenden An-
regungen auf ein technisch gut vorgebildetes und empfängliches deutschbürgerliches
Handwerk stießen, das auch schon in früheren Jahrhunderten wiederholt durch
Einwanderung niederrheinischer und niederländischer Künstler sich gestärkt hatte.
Die Abhängigkeit polnischer Kultur von diesem national zum mindesten indifferenten,
im wesentlichen aber deutschen Kunstzentrum an der Weichselmündung läßt
sich an zahlreichen Beispielen dieser Zeit unzweideutig erweisen. — Zwei dieser
Beispiele führen uns an die Stätten, an denen — auch heute noch — der katho-
lische Pole sein Mekka und Medina zu finden glaubt, nach Gnesen und Krakau
zu den Gräbern der Nationalheiligen: der reiche künstlerische Schmuck, den
polnische Geistliche den Grabstätten des H. Adalbert und des H. Stanislaus
in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts angedeihen ließen, entstammt der
gleichen Werkstatt eines danziger Silberschmiedes, dessen Vater aus dem
Rheinland seinen Wohnsitz an die Ufer der Mottlau verlegt hatte, weil hier ein
neues Absatzgebiet für Luxuskunst ohne allzu strenge Ansprüche an Feinheit der
Arbeit und Neuheit der Motive sich erschlossen hatte.
Reinhold von der Rennen aus Linn bei Krefeld (oder aus Lume, Kreis
Meschede?) tritt 1592 als Meister in die danziger Goldschmiedezunft, erwirbt im
folgenden Jahr das Bürgerrecht, und wird 1600—1619 wiederholt zum Ältermann
(Dekan) der Goldschmiedegilde erwählt; er stirbt in seiner neuen Heimat 1626 als
Leiter einer vielgesuchten Goldschmiedewerkstatt und als Vater von 9 Söhnen, die
Danzig bereits als ihre Vaterstadt betrachten. (Czihak, die Edelschmiedekunst früherer
Zeiten in Preußen, Frankfurt 1908, II, S. 52 u. passim).
Von seinen Söhnen interessiert uns besonders der sechste, Peter von der
Rennen, der am 4. September 1607 geboren und im Handwerk seines Vaters
erzogen, eine hervorragende Stellung im Kunstleben des polnischen Ostens ein-
nehmen sollte. Er wird bereits mit 24 Jahren Meister, und seine Werkstatt erfreut
sich bald eines weit über die Bannmeile der Vaterstadt hinausgreifenden Zuspruchs.
Im Jahre 1644 bezahlt ihm das Domkapitel zu Frauenburg im Ermlande für

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