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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Dies ist das wenige, was wir von dem Leben des Mannes wissen, den man
als den Begründer der ruhmreichen Sevillaner Malerschule des XVII. Jahrhunderts
feiern darf.

Für den Lizenziaten Alonso Martin Tentor zu Olivares, der später Tesorero (Schatz-
meister) und prebendado der Colegiata wurde, soll Ruelas 1603 als Präbend der
gleichen Kirche vier Gemälde auf Leinwand mit Darstellungen aus dem Marien-
leben gemalt haben. Laut dem Testament Tentors seien sie nach dessen Tod an
die Kirche gefallen, die aber später die Bilder an den Abad D. Luis Francisco Duro
de Velasco verkauft habe. Nach dessen Ableben nun seien sie wiederum der
Colegiata zugefallen. Also berichtet Cean Bermudez.
Die „Verkündigung" und „Anbetung der Könige" schmückten früher den Trascoro,
die „Vermählung" und der „Heimgang Mariä" die Sakristei. Heute hängen die
Bilder etwas hoch an den Seitenschiffwänden.
Bei der „Verkündigung" wendet sich Maria an einem Betpult kniend nach rechts
um. Ihr Gesicht ist hell beleuchtet, die Schattengrenze sehr scharf, unvermittelt.
Der niederblickende Gabriel hat die Rechte erhoben. Beide sind richtige Modell-
figuren, steif und ohne Ausdruck. Oben erscheint in einer Wolke die hl. Taube.
Mit am interessantesten ist, daß man in der Mitte des Grundes aus dem dunklen
Zimmer auf einen hellen, großen Platz eines kleinen Städtchens hinausschaut.
Bei der „Vermählung" blickt Maria, in rosa und grün gekleidet, als schamhafte
Jungfrau vor sich nieder, die Rechte ausgestreckt, die Linke auf der Brust, der
Kopf in dreiviertel Ansicht. Joseph im Profil gesehen hält in der Rechten einen
langen Blütenstab. Er trägt graues Gewand und gelben Mantel, dessen Falten
ziemlich trocken behandelt sind. Zwischen den beiden steht niederblickend der
betende Hohepriester, rechts im Hintergrund erblickt man Marias Eltern. Links
sind vor einem hellen Ausschnitt mit der Fassade eines Palastes zwei Figuren
gestellt; die linke im Profil in grünem Gewand, roter Kapuze auf dunklem Mantel
und roter Mütze; die Rechte in braun, ein ähnlicher Typus wie der jugendliche
Antonius von Padua, aber bärtig.
Dieses Gemälde ist, namentlich im Vergleich zu den drei anderen Bildern sehr
hell im Kolorit. Die Gestalten sind auch hier etwas schlank und hager, die Haupt-
gruppe ist edel, völlig renaissancemäßig bewegt.
Bei der „Anbetung der Könige" hält Maria, in dunkelrot und blau gekleidet, drei-
viertel nach rechts gewandt niederblickend das Christkind in weißem Kleidchen
vor sich. Wiederum ist Licht und Schatten scharf voneinander geschieden. Hinter
Maria steht der dunkelbärtige Joseph im Profil. Links kniet der alte König im
Profil gesehen, in einem langen gelben Mantel gehüllt. Die Figur wirkt sehr gut,
und wir werden bei der „Ausgießung des hl. Geistes" eine ganz ähnlich drapierte
Gestalt wiederfinden. Hinter dem Alten steht der zweite König. Der Mohr aber,
in rot und gelb gekleidet, ist links gegen die Landschaft gestellt.
Beim „Tod des hl. Joseph" sitzt der Heilige im Bett, die Hände betend gefaltet.
Vor dem Lager, mehr nach der Mitte zu erblickt man Maria, fast im Profil, in rot,
blau, braungelb und grau gekleidet vor dem blondbärtigen Christus kniend. Dieser,
in ein langes, graues Gewand und roten Mantel gehüllt, schreitet von rechts her
heran. Den Kopf leise geneigt streckt er mild die Rechte aus. In der Qualität hält
dieses Bild die Mitte zwischen der „Verkündigung" und „Anbetung".
Aus all den vier Bildern spürt man, daß hier ein vornehmer Künstler am Werke

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