Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0083

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kopf des alten Königs. Der fromme Greis in reichem braungelbem Goldbrokat-
gewand hat mit seinen Händen ein Füßchen des Christkindleins erfaßt und küßt
es in Demut und Inbrunst. Die Gruppe dieser drei Personen gehört mit zum
schönsten, was Ruelas geschaffen hat. Am Boden rechts erblickt man ein ge-
öffnetes, goldenes Kästchen, mehr vorn den mit einem Krönlein gezierten Turban
des alten Königs und sein Szepter. Hinter dem Alten steht der zweite König, eine
überaus stattliche Erscheinung. Er ist bärtig, seine Ohren sind sehr groß gebildet.
Er trägt dunkles Gewand, eine goldene Doppelkette um den Hals, weißen Turban
und hält ein goldenes Kästchen in den Kästchen in den Händen. Seinen Kopf hat
er dreiviertel nach links dem Mohren zugewendet, der links erscheint, den Kopf
dreiviertel nach rechts. Er ist in ein rotes Gewand gekleidet, das oben das weiße
Hemd sehen läßt, und in dunkeln Mantel. Seinen Kopf schmückt ein rotes Barett
mit weißer Feder. In den Händen hält er einen prunkvollen Goldpokal. Über Maria
wird der dunkelbärtige hl. Joseph sichtbar, der dreiviertel nach links gewandt nieder-
blickt. Hinter den Königen tauchen aus dem Helldunkel einige Köpfe auf, die aber
schwer zu erkennen sind. Auf dem hölzernen Dach der Scheune, in der sich die
Szene abspielt, erblickt man eine Reihe von Zuschauern. Am Himmel leuchtet ein
großer, Strahlen aussendender Stern.
Der rechte Seitenaltar ist der hl. Ursula geweiht. Das Martyrium der Heiligen
und ihrer elftausend Begleiterinnen ist auf dem Hauptgemälde dargestellt. Die
Heilige, eine äußerst liebliche Erscheinung, kniet im Gebet dreiviertel nach links
gewandt. Ihr Köpfchen das von einem zarten Oval ist, hat sie leise auf die Seite
geneigt und die dunklen Augen mit den großen Wimpern niedergeschlagen. Die
Stirn ist hoch, die Oberlippe schmal, die Unterlippe kräftig gebildet. Im dunkel-
blonden Haar trägt sie Perlenschnüre und ein Krönchen. Gekleidet ist sie in
dunkelgrün und blau. In ihrem entblößten Hals steckt ein Pfeil. Links von ihr
steht, in trefflichem Helldunkel modelliert, ein Maurenfürst, Kopf im Profil, schwarz-
bärtig, mit großen Ohren, in rotem Gewand und weißem, buntgestreiften Turban.
Seine Linke hat er ausgestreckt. Rechts von der Heiligen erblickt man die gleich-
falls in Helldunkel gehaltene Gestalt einer der Begleiterinnen. Sie ist in dunkelrot
gekleidet und erwartet, stark dreiviertel nach rechts gewandt mit betend gefalteten
Händen, das Haupt vorgeneigt den Todesstreich, besser gesagt den tötlichen Stich,
den ein Krieger ganz rechts eben ausführt. Links liegt am Boden die Leiche einer
Jungfrau in rotem Kleid. Ihr Gesicht weist bereits die Todesfarbe auf. Ein Pfeil
hat sie unter der Halsgrube getroffen. Rechts ruht eine Jungfrau in Hellrot, die
einen Pfeil in den Rücken erhalten hat. Die übrige Marterschlacht läßt der Künst-
ler getreu seinem Kompositionsprinzip mehr im Mittelgrund und auf niedriger ge-
legenem Terrain sich abspielen. Das Kolorit ist da sehr licht gehalten, im wesent-
lichen auf rosa und hellblau gestimmt. Englein mit Palmen und Lorbeerkränzen
streuen hoch aus den Lüften Blumen, die in einem Lichtstrom in der Mitte nieder-
rieseln.
Über diesem großen Gemälde ist auf einem kleinen Bild dargestellt wie Christus,
den Unterkörper ganz in Wolken eingehüllt, die Seelen der Heiligen empfängt.
Die abgeschiedenen Märtyrerinnen sind hellblond und in weiße Hemden gekleidet.
Rechts und links von ihnen bilden Palmentragende Englein Spalier.
Den Altar der letzten Kapelle auf der Epistelseite dieser Kirche, beim Haupt-
eingang schmückt ein Gemälde, das mir gleichfalls ein Werk des Ruelas zu sein
scheint. Leider ist es stark gedunkelt und übermalt. Dargestellt ist Christus an
der Martersäule mit der anima christiana, also dasselbe Motiv, das Velazquez in dem

69
 
Annotationen