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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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auf den Messen und Märkten nicht mehr zu fürchten brauchte, wenn also dessen
Bestände vollständig oder zum größten Teile verkauft waren. Das konnte in dieser
bildungsdurstigen Zeit schon nach fünf, sechs Jahren der Fall sein. Rechnen wir
versuchsweise vom Tage der Vollendung des Richelschen Heilsspiegels, von Ende
August 1476 an, sechs Jahre weiter, so kommen wir auf Ende August 1482 als den
ungefähren Termin, wo Drach seinen Nachdruck veröffentlicht haben könnte. Und
gehen wir von der Vollendung des Bergerschen Heilsspiegels, des Nachdrucks
des Drachschen, also von Anfang Februar 1489, sechs Jahre zurück, so kämen wir
auf Anfang Februar 1483 als Erscheinungstermin des Drachschen Heilsspiegels.
Es ist eben nur eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber warum sollen wir nicht
zu ihr greifen, wo sichere Anhaltspunkte fehlen? Man kann also sagen: der
Drachsche Heilsspiegel ist mutmaßlich in den Jahren 1482/83 veröffentlicht worden.
Die Holzschnitte wären demnach 1481/82 gezeichnet.
Diese Vermutung wird nun fast zur Gewißheit erhoben durch einen großen
Einblattdruck Peter Drachs, einen Almanach auf das Jahr 1483, der bis jetzt
nur in einem einzigen Exemplar nachgewiesen ist und den wohl nur wenige
genau kennen. Die Stadtbibliothek in Braunschweig besitzt ihn. Ich erfuhr
auf folgende Weise von seinem Vorhandensein: In den „Neujahrswünschen des
XV. Jahrhunderts", die Paul Heitz Ende 1899 in einer zweiten vermehrten billigen
Ausgabe veröffentlicht hatte, ist unter Nr. 28 ein großer Holzschnitt, ein Jüngling
und eine Jungfrau am Brunnen sitzend, nachgebildet. Im Text S. 24 erfährt
man, daß dieser Holzschnitt einem in der Braunschweiger Stadtbibliothek befind-
lichen Kalender entnommen ist, der auf Grund von Schreibers Angabe in seinem
Manuel de l'amateur de la gravure sur bois et sur metal au XVe siecle II (1892)
Nr. 1913 nach dem Mittelrhein oder Thüringen (Erfurt?) versetzt wird. Ferner
wird die Ansicht Ludw. Kämmerers mitgeteilt, wonach der Holzschnitt eine Arbeit
Erhard Reuwichs, des Illustrators von Breidenbachs Reisen (Mainz 1486) sein soll.
Ich erkannte im Gegenteil darin sofort eine Arbeit des Hausbuchmeisters.
Wilhelm Schmidt, den ich davon benachrichtigte, schrieb mir darauf im Dezember
1900, er sei von der Richtigkeit dieser Beobachtung vollkommen überzeugt, es sei
durchaus sicher, daß der Zeichner des Kalenders und der des Drachschen Heils-
spiegels eine Person seien. Ich bemerke dies nur für diejenigen, die sich selbst
kein Urteil in dieser überaus wichtigen Frage zutrauen und denen das Urteil eines
einzigen Kenners, nämlich das meinige, noch nicht genügt.
Der Almanach wurde mir dann von der Stadtbibliothek auf längere Zeit für ver-
gleichende Studien zur Verfügung gestellt. Es ist ein Blatt von 40 cm Höhe und
261/2 cm Breite. Die Kopfleiste von ungewöhnlicher Ausdehnung wird von dem
von Heitz veröffentlichten Holzschnitt, dem Paar am Brunnen, gebildet. Er ist
264 mm breit und 721/2 mm hoch. Nach 11 Zeilen Text mit Angaben über die
Zeit, in die die Hauptfeste des Jahres 1483 fallen, folgen dann Angaben über die
einzelnen Monate, Stellung des Mondes, die beste Zeit zum Aderlaß usw. Am
linken Rande stehen untereinander fünf Holzschnitte, zu jedem Monat einer, über
dem Holzschnitt der Name des betreffenden Monats: Hartmont, Hornung, Mertz,
Appril, Mey. Die übrigen 7 Monate fehlen leider, sie folgten wahrscheinlich nicht
darunter, sondern auf einem 2. Blatte. Die 5 Holzschnitte enthalten jedesmal in
einem quadratischen Rahmen ein großes Initial-D und in dessen mittlerer Öffnung
eine kleine Darstellung: beim Hartmond die Geburt Christi, beim Hornung einen
Jüngling und eine Jungfrau am Kaminfeuer, beim März einen Jüngling, der mit
einer Hacke den Boden aufreißt, beim April einen Mann, der die Reben beschneidet,

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