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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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beim Mai ein Pärchen auf einer Rasenbank, er mit Blumen im Haar die Laute
spielend. Während die Holzschnitte Hornung, März, April und Mai sehr klein sind,
— sie messen durchschnittlich 38 : 38 mm — ist der Hartmond mit der Geburt
Christi fast doppelt so groß, 69% mm hoch, 69 mm breit.
Die Zeichnung dieser kleinen Darstellungen ist zierlich, graziös und ungemein
lebendig, der Schnitt, keine leichte Aufgabe für den Formschneider, bewunderns-
wert klar und geschmeidig, für diese Zeit geradezu ein Meisterstück.
Der Zeichner der sechs Holzschnitte des Almanachs ist, wie schon gesagt, kein
anderer als der Hausbuchmeister, den Formschnitt aber hat derselbe ausgeführt,
von dem die besten Holzschnitte des Drachschen Heilsspiegels herrühren. Von
diesen zu jenen spinnen sich hundert Fäden hinüber und herüber. Die Überein-
stimmung zwischen den beiden Gruppen ist sogar so groß, daß wir auf eine beinahe
gleichzeitige Entstehung schließen müssen. Der Almanach ist für das Jahr 1483
bestimmt gewesen, muß also spätestens im Herbst 1482 veröffentlicht worden
sein, ja er kann schon bald nach der Mitte des Jahres in den Handel gekommen
sein, wie das auch bei unsern heutigen Kalendern vielfach Brauch ist. Die noch
treffliche Erhaltung der Holzstöcke spricht dafür, daß der Abdruck wohl zum ersten
Male erfolgt ist.
Wo ist nun der Almanach erschienen, und wer hat ihn gedruckt? Die Mundart
ist rheinfränkisch. Es liegt nichts näher, als an Speier und an Peter Drach als
Drucker zu denken. In der Tat sind die Schrifttypen dieselben wie die kleineren
im Heilsspiegel, außerdem ist der Zeilenabstand, ein wichtiges Merkmal für die
Schriftvergleichung, beidemal derselbe: er beträgt im Almanach von der Basis der
untersten Zeile bis zur Basis der 11. Zeile (von unten) 47 mm, im Drachschen
Heilsspiegel genau so viel. Also der Almanach wäre durch alle diese Umstände
zusammen: Zeichner, Formschneider, Schrift, als Druck von Peter Drach in Speier
so gut wie erwiesen. Aber es gibt noch einen besseren Beweis dafür.
In der „Beschreibung einiger typographischen Seltenheiten nebst Beyträgen zur
Erfindungsgeschichte der Buchdruckerkunst" von Gotthelf Fischer (Mainz und
Nürnberg 1800 und ff.) handelt der Verfasser auch von den ältesten gedruckten
deutschen Kalendern. In der 3. Lieferung (Nürnberg 1801) spricht er auf S. 131
auch von einem in seinem Besitz befindlichen. Die Stelle ist für uns so wichtig,
daß ich sie hier wörtlich mitteilen muß.
„Der meinige ... ist also der zweite jährige Kalender, welchen man bis jetzt
aufgefunden hat und verdient sowohl durch seine Einrichtung, als die Holzschnitte,
welche denselben schmücken, vorzügliche Aufmerksamkeit."
„Der Holzschnitt, welcher nach oben die Seite verziert, stellt einen Garten vor,
in dessen Mitte ein Brunnen steht. Auf der einen Seite sitzt ein junger Mensch,
eine Rolle mit folgender nicht sehr zierlicher Inschrift haltend:
„By disser vrohen fart
winsch ich uch frauelin gutter mannigfalt jar."
Auf der andern Seite sitzt ein Mädchen, mit einem Schoßhündchen und einer
Rolle folgenden Inhalts:
„Gesene got gebe dir heil
gutter jar ein michelteil."
„ .. Auf der linken Seite geht ein Rahmen mit Verzierungen herunter. Blumen
winden sich in künstlicher Ordnung und tragen auf ihren Ästen bald eine Eule,

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