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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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und identifiziert, befinden sich auch die beiden Gemälde „die Vermählung des jungen
Tobias" (Abb. 2) und der Raub der Europa (Abb. 3), beide zu der Sammlung
des Herrn Salvator Romana gehörig. Es ist mir heute möglich, von ihnen zum
ersten Male eine Photographie zu geben. De Dominici erwähnt zwei Bilder des
Cavallino mit der Hochzeit des Tobias, eins im Hause Valletta1) und eins beim
Marchese di Grazia, doch seine allgemein gehaltenen Angaben stimmen nicht ganz
überein mit dem Originalbild, das dem Herrn Romana gehört. Wie schon De Ri-
naldis bemerkte, nähert es sich durch charakteristische Einzelheiten dem „Abschied
des jungen Tobias" der National-Galerie in Rom, doch die Grundzüge weichen
stark davon ab. Während die Frauentypen so ähnlich sind, daß man glauben
möchte, der Künstler hätte beide Male dieselben Modelle benutzt, ist der Tobias
verschieden, und ganz abweichend der alte Tobias. Verschieden ist auch die
Farbengebung des Bildes, die starke Gegensätze von Licht und Schatten aufweist
und etwas herb und hart ist. Der Malerei fehlt die Verschmelzung der Töne, der
Lichter und Schatten, jene vollkommene Farbenharmonie, die das Bild in Rom
kennzeichnen. Gerade durch diese Merkmale nähert sich das Sposalizio dem anderen
Gemälde, in der National-Galerie zu Rom, dem Petrus, der den Hauptmann Cornelius
und seine Leute tauft. Auch hier fallen scharfe Lichtkontraste auf, während aber zugleich
eine harmonischere Farbenkomposition vorherrscht. Wie farbensatt und geklärt wirkt
dagegen „der Raub der Europa", dessen Thema, wie De Rinaldis glaubt, dem Maler
vielleicht durch eine Kopie oder einen Stich des berühmten Bildes von Veronese
übermittelt sein könnte. Der neapolitaner Maler ist sehr selten zu einer so großen
Vollkomenheit in der Darstellung des Lichtes gelangt, das die sinkende Sonne
schillernd um die Gruppe des Stieres, der Europa und ihrer Begleiterinnen webt.
Dieses Bild liefert einen überzeugenden Beweis für die Unabhängigkeit Cavallinos,
selbst wenn er sich, wie hier, an großen Meistern inspiriert. Höchstens erinnert eine
allgemeine Linie der Komposition an Veronese, übrigens belebt hier eine frischere,
neuere, intimere Stimmung die Gestalten. Es ist vielleicht schwächer in der Zeichnung,
aber sympatischer im Ausdruck. Hier hat Europa nichts von der berechnenden
Koketterie der reifen Venezianerin, die Veronese dekollettiert und mit Bändern schmückt,
sondern sie ist ein ganz junges harmloses Mädchen mit fast noch kindlichen Formen,
das sich unschuldig dem Vergnügen hingibt, den schön geschwungenen Nacken des
weißen Stieres zu ihren Füßen zu bekränzen.
Die letzten Sonnenstrahlen lassen das Meer im Hintergründe aufleuchten und
gleiten liebkosend über die Bäume, den Stier und das junge Mädchen und fernher
aus der Tiefe glaubt man eine Stimme zu hören, die die Jungfrau aus dem heimat-
lichen Walde von den harmlosen Vergnügungen und den kindlichen Spielen wegruft
zu den Freuden der göttlichen Liebe, die sie über die Erde, durch das Meer und den
Himmel entführt. In diesem Gemälde wie in dem „Abschied des jungen Tobias" in Rom
und im „heiligen Sebastian, den fromme Frauen pflegen" aus der Pinakothek in Neapel,
ist alles auf graue, grünliche, blaue und bräunliche Töne abgestimmt, die uns Ber-
nardo Cavallino in seiner größten malerischen Vervollkommnung zeigen. Im „Petrus,
der Cornelius tauft" und in der „Hochzeit des jungen Tobias" könnte man vielleicht
ein lebhafteres Helldunkel und eine kräftigere Farbengebung hervorheben, aber
diese Vorzüge besitzen auch andere Maler des Seicento, während fast keiner von
ihnen Werke wie die von mir erwähnten geschaffen hat, Werke, die als abge-
rundete, gewählte Farbenkompositionen gedacht und ausgeführt worden sind. Noch

(1) De Rinaldis: op. cit. pag. 59, 38. B. De Dominici: op. cit. pag. 166, 168.

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