REZENSIONEN .
SÄCHSISCHE BILDNEREI UND MALE-
REI VOM XIV. JAHRHUNDERT BIS
ZUR REFORMATION. — Herausgegeben
von Eduard Flechsig. II. Lieferung:
Freiberg. — Aus den Schriften der kgl.
sächs. Kommission für Geschichte. —
Klinkhardt & Biermann. 1910.
Auf 41 Lichtdrucktafeln sind 3 um 1520 ent-
standene Altarwerke publiziert, mit größter Aus-
führlichkeit, mustergültig. Zu wünschen wäre, daß
dieses Muster befolgt würde, aber nicht in Bezug
auf das Was, sondern nur auf das Wie der Ver-
öffentlichung. Der Herausgeber Eduard Flechsig
macht offenbar, daß diese 3 Altarwerke, mindestens
in ihren gemalten Teilen von einer Hand seien,
von einem zu Freiberg in Sachsen tätigen Meister
herrühren, über dessen Namen nicht einmal eine
Vermutung geäußert werden kann.
Der erste Altar steht in der Kirche von Seifers-
dorf bei Dippoldswalde und trägt das Datum 1518,
der zweite, in der Kirche zu Oberbobritzsch bei
Freiberg ist 1521 datiert, der dritte, nur in Frag-
menten erhaltene, undatierte, befindet sich in der
Nicolaikirche von Dippoldswalde. Sämtliche Teile
und außerdem verschiedene Ausschnitte aus den
Gemälden sind in scharfen und klaren Lichtdrucken
wiedergegeben. Der Stilzusammenhang zwischen
den 3 Werken ist deutlich. Alle Angaben Flechsigs
scheinen genau und korrekt zu sein. Soweit ist
gegen die Mappe nichts einzuwenden.
Manchem, der die Abbildungen betrachtet und eine
allzu intensive Vorstellung von diesem „Meister"
empfängt, mag der Zweifel kommen, ob es gut sei,
die wissenschaftlichen Prinzipien der Gleichmäßig-
keit und Vollständigkeit, nach denen historische
Urkunden veröffentlicht werden, ohne weiteres auf
Kunstwerke zu übertragen. Auswahl, Berücksich-
tigung der Qualität wäre doch sehr erwünscht.
Der Freiberger Maler erscheint nicht als Nach-
folger Cranachs, eher als ein minderbegabter Weg-
genosse. Das Unpräzise und Weichliche seiner
Formensprache ist mehr eine Eigenschaft seiner
Zeit als seiner Person. Die Luft der Freiheit, in
der die Großen größer wurden, bekam den Kleinen
schlecht, und das allgemeine Niveau der deutschen
Altäre lag vielleicht niemals so tief wie in
Dürers und Grünewalds Tagen.
Max J. Friedländer.
WALTER CURT ZWANZIGER, Dosso
Dossi. Leipzig, Verlag von Klinkhardt
& Biermann, 1911. 121 S.
Eine gute wissenschaftliche Arbeit über den
Hauptmeister der Schule von Ferrara in der Hoch-
renaissance gibt es nicht. Die einzige Mono-
graphie über die Dossi, die man dem um die
Kunstgeschichte seiner Vaterstadt vielfach ver-
dienten Cittadella verdankt, hat mit anderen mono-
graphischen Arbeiten italienischer Lokalhistoriker
(namentlich der Vergangenheit) Vorzüge und Fehler
gemeinsam: wertvoll durch urkundliche Forschung
kann sie für die Erkenntnis der Kunst des Meisters
nicht genügen. Crowe und Cavalcaselle haben die
Brüder nicht behandelt; Gruyer hat in gewohnter
übersichtlicher Weise das Rohmaterial zusammen-
getragen. Den wertvollsten Beitrag bot Venturi
in seinem Band über die Galerie Crespi in Mai-
land; von Berenson endlich wurde in dem Bande
der North Italian painters eine wichtige Bilder-
liste veröffentlicht.
So nimmt man mit berechtigter Spannung die
erste Monographie, die in neuer Zeit den Dossi ge-
widmet wurde, zur Hand, um so mehr als der
Untertitel lautet: „mit besonderer Berücksichtigung
seines künstlerischen Verhältnisses zu seinem Bruder
Battista". Denn diese Frage, die Abgrenzung des
einen gegen den anderen, ist vorläufig offen: man
hat sie fast immer mit ziemlicher Willkür be-
antwortet, teils auf Vasari fußend, teils indem man
alles Schwächere im Dosso-Stil dem Battista zu-
schrieb.
Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, halte ich
es für Pflicht, auf die besondere Schwierigkeit der
Aufgabe hinzuweisen. Ein ungewöhnlicli dürftiges
Urkundenmaterial, der Mangel an fest beglaubigten
Arbeiten Battistas, ungenügend gesicherte biograpi-
sche Details bedeuten lauter Hemmungsmomente
für den Forscher. Ein Anfänger konnte sich kaum
ein komplizierteres Thema wählen.
Es gab — und gibt — doch nur eine Möglich-
keit, um hier zur Klarheit wissenschaftlicher Er-
kenntnis vorzudringen. Einerseits biographisch-
urkundlich klar zu stellen, was wir unangreifbar
sicher wissen, sodann an den wenigen chrono-
logisch gesicherten Bildern die Entwicklung dar-
zulegen, mit Hülfe der stilkritischen Methode nach
rück- und vorwärts auszuschreiten und dadurch zu
einer Aufteilung des Materials zu gelangen.
Der Verf. hat richtig erkannt, wie er methodisch
verfahren müßte, aber es hat ihm, ich weiß nicht,
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SÄCHSISCHE BILDNEREI UND MALE-
REI VOM XIV. JAHRHUNDERT BIS
ZUR REFORMATION. — Herausgegeben
von Eduard Flechsig. II. Lieferung:
Freiberg. — Aus den Schriften der kgl.
sächs. Kommission für Geschichte. —
Klinkhardt & Biermann. 1910.
Auf 41 Lichtdrucktafeln sind 3 um 1520 ent-
standene Altarwerke publiziert, mit größter Aus-
führlichkeit, mustergültig. Zu wünschen wäre, daß
dieses Muster befolgt würde, aber nicht in Bezug
auf das Was, sondern nur auf das Wie der Ver-
öffentlichung. Der Herausgeber Eduard Flechsig
macht offenbar, daß diese 3 Altarwerke, mindestens
in ihren gemalten Teilen von einer Hand seien,
von einem zu Freiberg in Sachsen tätigen Meister
herrühren, über dessen Namen nicht einmal eine
Vermutung geäußert werden kann.
Der erste Altar steht in der Kirche von Seifers-
dorf bei Dippoldswalde und trägt das Datum 1518,
der zweite, in der Kirche zu Oberbobritzsch bei
Freiberg ist 1521 datiert, der dritte, nur in Frag-
menten erhaltene, undatierte, befindet sich in der
Nicolaikirche von Dippoldswalde. Sämtliche Teile
und außerdem verschiedene Ausschnitte aus den
Gemälden sind in scharfen und klaren Lichtdrucken
wiedergegeben. Der Stilzusammenhang zwischen
den 3 Werken ist deutlich. Alle Angaben Flechsigs
scheinen genau und korrekt zu sein. Soweit ist
gegen die Mappe nichts einzuwenden.
Manchem, der die Abbildungen betrachtet und eine
allzu intensive Vorstellung von diesem „Meister"
empfängt, mag der Zweifel kommen, ob es gut sei,
die wissenschaftlichen Prinzipien der Gleichmäßig-
keit und Vollständigkeit, nach denen historische
Urkunden veröffentlicht werden, ohne weiteres auf
Kunstwerke zu übertragen. Auswahl, Berücksich-
tigung der Qualität wäre doch sehr erwünscht.
Der Freiberger Maler erscheint nicht als Nach-
folger Cranachs, eher als ein minderbegabter Weg-
genosse. Das Unpräzise und Weichliche seiner
Formensprache ist mehr eine Eigenschaft seiner
Zeit als seiner Person. Die Luft der Freiheit, in
der die Großen größer wurden, bekam den Kleinen
schlecht, und das allgemeine Niveau der deutschen
Altäre lag vielleicht niemals so tief wie in
Dürers und Grünewalds Tagen.
Max J. Friedländer.
WALTER CURT ZWANZIGER, Dosso
Dossi. Leipzig, Verlag von Klinkhardt
& Biermann, 1911. 121 S.
Eine gute wissenschaftliche Arbeit über den
Hauptmeister der Schule von Ferrara in der Hoch-
renaissance gibt es nicht. Die einzige Mono-
graphie über die Dossi, die man dem um die
Kunstgeschichte seiner Vaterstadt vielfach ver-
dienten Cittadella verdankt, hat mit anderen mono-
graphischen Arbeiten italienischer Lokalhistoriker
(namentlich der Vergangenheit) Vorzüge und Fehler
gemeinsam: wertvoll durch urkundliche Forschung
kann sie für die Erkenntnis der Kunst des Meisters
nicht genügen. Crowe und Cavalcaselle haben die
Brüder nicht behandelt; Gruyer hat in gewohnter
übersichtlicher Weise das Rohmaterial zusammen-
getragen. Den wertvollsten Beitrag bot Venturi
in seinem Band über die Galerie Crespi in Mai-
land; von Berenson endlich wurde in dem Bande
der North Italian painters eine wichtige Bilder-
liste veröffentlicht.
So nimmt man mit berechtigter Spannung die
erste Monographie, die in neuer Zeit den Dossi ge-
widmet wurde, zur Hand, um so mehr als der
Untertitel lautet: „mit besonderer Berücksichtigung
seines künstlerischen Verhältnisses zu seinem Bruder
Battista". Denn diese Frage, die Abgrenzung des
einen gegen den anderen, ist vorläufig offen: man
hat sie fast immer mit ziemlicher Willkür be-
antwortet, teils auf Vasari fußend, teils indem man
alles Schwächere im Dosso-Stil dem Battista zu-
schrieb.
Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, halte ich
es für Pflicht, auf die besondere Schwierigkeit der
Aufgabe hinzuweisen. Ein ungewöhnlicli dürftiges
Urkundenmaterial, der Mangel an fest beglaubigten
Arbeiten Battistas, ungenügend gesicherte biograpi-
sche Details bedeuten lauter Hemmungsmomente
für den Forscher. Ein Anfänger konnte sich kaum
ein komplizierteres Thema wählen.
Es gab — und gibt — doch nur eine Möglich-
keit, um hier zur Klarheit wissenschaftlicher Er-
kenntnis vorzudringen. Einerseits biographisch-
urkundlich klar zu stellen, was wir unangreifbar
sicher wissen, sodann an den wenigen chrono-
logisch gesicherten Bildern die Entwicklung dar-
zulegen, mit Hülfe der stilkritischen Methode nach
rück- und vorwärts auszuschreiten und dadurch zu
einer Aufteilung des Materials zu gelangen.
Der Verf. hat richtig erkannt, wie er methodisch
verfahren müßte, aber es hat ihm, ich weiß nicht,
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