UBER EINIGE FRUHWERKE DES PALMA
VECCHIO Von DETLEV frhr. von HADELN
Mit drei Abbildungen auf zwei Tafeln ......•.•..•...•.••.•....
Vor etwa zwei Jahren wurde der Galerie in Budapest ein hübsches venezianisches
Bild geschenkt, das Brustbild eines jugendlichen Kriegers mit einem Kranz
im Lockenhaar. Der Restaurator der Pester Galerie, Professor F. K. Beer, entdeckte
auf der Rückseite der Tafel die Brandmarke „K. K." der Wiener Kaiserlichen Samm-
lungen, verfolgte diese Spur und fand, daß das Bildchen ehemals der Sammlung
des Erzherzogs Leopold Wilhelm angehört hat.
Frimmel hat dann in seinen „Blättern für Gemäldekunde" (IV. S. 200 ff.) ausführ-
liche Angaben über die Provenienz der kleinen Tafel gemacht, von denen die wich-
tigsten hier mitgeteilt sein mögen.
Wie schon Beer konstatiert hatte, wird das Bild in dem von A. Berger publi-
zierten Inventar der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm vom Jahre 16591)
mit einem Gegenstück genannt und folgendermaßen beschrieben: „Nr. 171 und 172.
Zwey kleine Conterfeit einer Grössen von Öhlfarb auff Holcz, das erste ein Jüng-
ling gewaffendter. Hatt auf der linkhen Seithen einen rothen Mantl, das andere
eine junge Dame mit hangenden Haaren, die rechte Handt auf die Brust und die
linkhe Achsel blosz, beede mit blossen Haubt, drauff ein Krantz von Wintergrün.
Die Rämel schwartz, eben und die innere Laistl verguldt, hoch 2 Span, 2 Finger
und I Span, 8 Finger braith.
Von dem alten Palma Original." (Abb. 1 und 2.)
Diese Beschreibung und die erwähnte Brandmarke machten die Identität schon
höchst wahrscheinlich. Zur Gewißheit wurde sie durch weitere Beobachtungen
Beers und Frimmels, die den jugendlichen Krieger und sein weibliches Gegenstück,
von dem noch zu reden sein wird, sowohl in dem gemalten Storfferschen Inventar,
wie im „Prodromus" von Stampart und Prenner und endlich auf dem Galeriebild
des jüngeren David Teniers in der Münchener Pinakothek wiederfanden. Beer war
dann bei seinem Suchen nach dem verschollenen Gegenstück vom Glück begünstigt.
Er fand das Bild, leider stark übermalt, im Magazin der Budapester Galerie.
Es fragt sich nun, ob die beiden Bilder, die wir dank der Liebenswürdigkeit des
Herrn Professor Beer hier abbilden können, wirklich Palma zuzuschreiben sind.
Frimmel zieht das in Frage, meint, daß ebensogut an den greisen Giovanni Bellini
gedacht werden könne; in Budapest aber hat man, wie ich hörte, Lust, die Bilder
Bissolo zuzuweisen, was meines Erachtens eine starke Überschätzung dieses Malers
dritter Güte bedeuten würde. Freilich hat auch Morelli dem Bissolo recht tüchtige
Bilder zugeschrieben, wie die Madonna mit vier Heiligen der Sammlung Benson in
London, wie die „Junge Frau bei der Toilette" im Wiener Hofmuseum und andere
mehr, die aber in Wahrheit dem sogenannten Pseudobasaiti, einem ausgezeich-
neten Ateliergenossen Bellinis gehören.
Man versuche nur die Bilder dem authentischen Oeuvre Bissolos, das man in
Thieme und Beckers Künstlerlexikon von Gronau zusammengestellt findet, einzu-
ordnen und man wird finden, daß sie dort nicht unterzubringen sind. Ganz bin ich
hier allerdings nicht einer Meinung mit Gronau, der das bekannte Stephanustriptychon
der Brera und eine diesem ganz nahestehende Madonna mit Petrus Martyr im
(1) Jahrb. der Kunsthist. Smlgn. des Allerh. Kaiserh. I. p. XCVI.
224
VECCHIO Von DETLEV frhr. von HADELN
Mit drei Abbildungen auf zwei Tafeln ......•.•..•...•.••.•....
Vor etwa zwei Jahren wurde der Galerie in Budapest ein hübsches venezianisches
Bild geschenkt, das Brustbild eines jugendlichen Kriegers mit einem Kranz
im Lockenhaar. Der Restaurator der Pester Galerie, Professor F. K. Beer, entdeckte
auf der Rückseite der Tafel die Brandmarke „K. K." der Wiener Kaiserlichen Samm-
lungen, verfolgte diese Spur und fand, daß das Bildchen ehemals der Sammlung
des Erzherzogs Leopold Wilhelm angehört hat.
Frimmel hat dann in seinen „Blättern für Gemäldekunde" (IV. S. 200 ff.) ausführ-
liche Angaben über die Provenienz der kleinen Tafel gemacht, von denen die wich-
tigsten hier mitgeteilt sein mögen.
Wie schon Beer konstatiert hatte, wird das Bild in dem von A. Berger publi-
zierten Inventar der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm vom Jahre 16591)
mit einem Gegenstück genannt und folgendermaßen beschrieben: „Nr. 171 und 172.
Zwey kleine Conterfeit einer Grössen von Öhlfarb auff Holcz, das erste ein Jüng-
ling gewaffendter. Hatt auf der linkhen Seithen einen rothen Mantl, das andere
eine junge Dame mit hangenden Haaren, die rechte Handt auf die Brust und die
linkhe Achsel blosz, beede mit blossen Haubt, drauff ein Krantz von Wintergrün.
Die Rämel schwartz, eben und die innere Laistl verguldt, hoch 2 Span, 2 Finger
und I Span, 8 Finger braith.
Von dem alten Palma Original." (Abb. 1 und 2.)
Diese Beschreibung und die erwähnte Brandmarke machten die Identität schon
höchst wahrscheinlich. Zur Gewißheit wurde sie durch weitere Beobachtungen
Beers und Frimmels, die den jugendlichen Krieger und sein weibliches Gegenstück,
von dem noch zu reden sein wird, sowohl in dem gemalten Storfferschen Inventar,
wie im „Prodromus" von Stampart und Prenner und endlich auf dem Galeriebild
des jüngeren David Teniers in der Münchener Pinakothek wiederfanden. Beer war
dann bei seinem Suchen nach dem verschollenen Gegenstück vom Glück begünstigt.
Er fand das Bild, leider stark übermalt, im Magazin der Budapester Galerie.
Es fragt sich nun, ob die beiden Bilder, die wir dank der Liebenswürdigkeit des
Herrn Professor Beer hier abbilden können, wirklich Palma zuzuschreiben sind.
Frimmel zieht das in Frage, meint, daß ebensogut an den greisen Giovanni Bellini
gedacht werden könne; in Budapest aber hat man, wie ich hörte, Lust, die Bilder
Bissolo zuzuweisen, was meines Erachtens eine starke Überschätzung dieses Malers
dritter Güte bedeuten würde. Freilich hat auch Morelli dem Bissolo recht tüchtige
Bilder zugeschrieben, wie die Madonna mit vier Heiligen der Sammlung Benson in
London, wie die „Junge Frau bei der Toilette" im Wiener Hofmuseum und andere
mehr, die aber in Wahrheit dem sogenannten Pseudobasaiti, einem ausgezeich-
neten Ateliergenossen Bellinis gehören.
Man versuche nur die Bilder dem authentischen Oeuvre Bissolos, das man in
Thieme und Beckers Künstlerlexikon von Gronau zusammengestellt findet, einzu-
ordnen und man wird finden, daß sie dort nicht unterzubringen sind. Ganz bin ich
hier allerdings nicht einer Meinung mit Gronau, der das bekannte Stephanustriptychon
der Brera und eine diesem ganz nahestehende Madonna mit Petrus Martyr im
(1) Jahrb. der Kunsthist. Smlgn. des Allerh. Kaiserh. I. p. XCVI.
224