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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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REZENSIONEN .
PIERRE BAUTIER: Lancelot Blon-
deel. Bruxelles Librairie nationale d'art
et d'histoire. G. van Oest et Cie. 1910.
Das vorliegende Büchlein stellt sich eine sehr
bescheidene Aufgabe. Die Absicht des Verfassers
war darauf gerichtet, die heutigen Meinungen über
Lancelot Blondeel als Maler zusammenzufassen,
diese zu diskutieren und so „einen verschwindend
kleinen Beitrag zur Geschichte der vlämischen
Malerei zu liefern".
Seine Absicht hat der Verfasser nur teilweise
erreicht. Mit großer Sorgfalt und nicht geringerem
Fleiß hat er alles zusammengetragen, was je
in der Literatur über Blondeel als Maler geäußert
worden ist. Auf eine kurze Einleitung, in welcher
die sonstige Tätigkeit Blondeels als Architekt und
Zeichner von Entwürfen für Teppiche, Skulpturen
usw. gestreift sowie die Frage nach einer etwaigen
Italienreise des Künstlers in negativem Sinne be-
antwortet wird, folgt ein ausführlicher Katalog des
gemalten Werks Blondeels.
Den Anfang bilden die 4 monogrammierten und
datierten Arbeiten, dann folgt eine Aufzählung der
verschollenen, nur in den Quellen erwähnten, den
Beschluß bildet ein Verzeichnis der zweifelhaften
sowie der dem Maler nahestehenden Bilder. Auch
eine Zusammenstellung der älteren, ganz willkür-
lichen Zuschreibungen, unter denen das Berliner
Triptychon mit dem jüngsten Gericht Bellegambe's
figuriert, fehlt nicht.
Unter den zweifelhaften Werken wird über-
raschender Weise auch die interessante Tafel aus
der Cathedrale in Tournai mit Scenen aus dem
Leben Mariae angeführt. Das Bild befand sich
1902 auf der Brügger Ausstellung und wurde von
Friedländer und Hulin als die späteste Arbeit des
Malers erkannt. Trotz der verwandten Züge, die
diese Tafel mit den signierten Werken Blondeels
verbinden, entschließt sich der Verfasser im An-
schluß an Fierens Gevaert die Urheberschaft Blon-
deels anzuzweifeln.
Befremdender wirkt die Meinung des Verfassers,
die Tafel mit Szenen aus dem Leben des hl. Georg ,
(Brügge. Städt. Mus.) wäre ein Schulwerk und
„nach dem Tode Blondeels entstanden." Blondeel
(1) Wie mich Herr M. Losnitzer freundlich aufmerksam
macht, sind auf der Scene mit der Geißelung des Heiligen
einige Figuren nach Dürers Großer Passion (B 8) kopiert.
Das Mittelbild dagegen zeigt eine gewisse Ähnlichkeit in
der Komposition mit dem hl. Georg, welcher im Wiener
Hofmuseum (No. 1431) Leonhardt Beck zugeschrieben wird.

ist 1561 gestorben; dem Stil nach muß aber dieses
Bild um ca. 40 Jahre früher angesetzt werden.
Die stilkritischen Ausführungen zu den Bildern
sind überhaupt der schwächste Teil des Buches.
Bei dem frühesten datierten Bild von 1513 mit
Darstellungen aus dem Leben des hl. Cosma und
Damianus (Brügge. St. Jakobskirche) wird auf die
angebliche Verwandtschaft der Landschaft mit der
auf der „Taufe Christi" im Berliner Museum hin-
gewiesen, welche daselbst Jan Scorel zugeschrieben
wird. Der Verfasser bemerkt dann weiter, er sehe
außer den architektonischen Rahmungen überhaupt
keine scharfe Trennungslinie zwischen den wenigen
authentischen Werken Blondeels und der großen
Masse der Bilder mit Landschaften, die Scorel
zugeschrieben werden.
In der Tat besteht aber eine solche Tren-
nungslinie und zwar in sehr ausgeprägter Weise.
Außer der Farbe, welche die Bilder des Scorel
Kreises von den gleichzeitigen Landschaften der
vlämischen Schule grundsätzlich unterscheidet, ist
es noch z. B. die ganz bestimmte Art des Aufbaues
der Landschaft, die Scorel eigentümlich ist.
Ein genaueres Studium der einzigen signierten.
Landschaft Blondeels (Amsterdam Rijksmus.) mit
denen, die unter Scorels Namen zusammengefaßt
werden, würde den Verfasser doch wohl schon
abgehalten haben, Bilder wie die Landschaft mit
David und Goliath (Dresd. Mus.) oder mit der
Bethsabe (Amsterdam. Rijksmus.) Scorel ohne wei-
teres abzusprechen und in die Nähe Blondeels zu
rücken.
Es wäre fruchtbarer gewesen, der vom Verfasser
gestreiften Beziehung zu Patinir weiter nachzu-
gehen; insbesondere hätte ein Vergleich der Bilder
Blondeels mit denen der Bles-Gruppe eine Erklärung
für den Ursprung des Figurenstils des Malers
geliefert.
Ebenso hätte die Heranziehung der gleichzeitigen
niederländischen Ornamentstiche manche interes-
sante Gesichtspunkte für die Beurteilung der Blon-
deel eigentümlichen Rahmungen ergeben.
Blondeel ist als Figuren- und Landschaftsmaler
gleich unbedeutend und seine Stärke liegt in seinem
feinen ornamentalen Empfinden, für welches der
berühmte Kamin im „Landhaus van der Vryen"
in Brügge ein so charakteristisches Beispiel bietet.
L. Preibisz.

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