Perugino in Anspruch nahm1). Für die Zuschreibung an Raffael läßt sich, abge-
sehen von der während der Restauration ganz erneuerten und vielleicht sogar ge-
fälschten Inschrift auf dem Kleidersaum des Apostels Thomas RAP. VR. MDV (?)
kein Argument anführen. Für die Datierung gibt einen terminus ante quem die aus
der Werkstatt Peruginos hervorgegangene, bereits oben erwähnte Wiederholung des
Abendmahles auf der Predellentafel der Madonna zwischen vier Heiligen mit dem Datum
1500 im Kaiser Friedrich-Museum. Vor diesem Bilde also und sicherlich nach dem
Tafelbilde der Beweinung Christi aus dem Jahre 1495 (Pitti) und nach dem Fresko der
Kreuzigung in S. Maria Maddalena dei Pazzi aus dem Jahre 1496 wird dieses schwä-
chere, aber des Meisters durchaus nicht unwürdige Werk angesetzt werden dürfen.
Wenn Raffael, wie wir gesehen haben, bis zum Jahre 1503 mehrfach für Cittä
di Castello beschäftigt war, und in allen für diese Stadt geschaffenen Werken der
Stil Peruginos in die Erscheinung tritt, so müssen neue, frische Eindrücke aus
Perugia und eine Tätigkeit als Gehilfe in Meister Pietros Werkstätte ange-
nommen werden. Diese MitwirkunglRaffaels läßt sich an mehreren zwischen 1500
und 1504 entstandenen Werken Peruginos nachweisen. Es scheint zwischen
ihnen ein geistiger Austausch stattgefunden zu haben, der für den jungen, hochbe-
gabten Künstler von größter Bedeutung wurde uud zugleich den alternden Meister
zu neuem Aufschwünge mitriß. Raffael hat eine ganze Anzahl seiner Gemälde aus
der Zeit von 1500 bis 1504 unter den Augen und wahrscheinlich in der Werkstätte
Peruginos begonnen und in weitestem Umfange Kompositionen und Entwürfe des
Meisters für seine eigenen Arbeiten verwendet. Bei den im folgenden mitgeteilten
Nachweisen der Einflüsse Peruginos auf die von Raffael in der genannten Epoche
geschaffenen Werke schließen wir uns im allgemeinen Georg Gronau an.
Raffaels Madonna del Libro ist eng mit der Zeichnung des Berliner Kupferstich-
kabinetts verwandt, auf deren anderer Seite sich die Kompositionsskizze zu der
Madonna del Duca di Terranuova befindet. Wie Morelli zuerst erkannt hat2), rührt
dieses Blatt von Perugino her, doch lehnt sich Raffael in der Ausführung mehr an
Pinturicchios großes Altarwerk von 1498 in der Peruginer Pinakothek an. Bei der
Übertragung des Bildes auf Leinwand konnte festgestellt werden, daß Raffael
während der Arbeit eine Änderung vorgenommen hat. Die Madonna hielt ursprüng-
lich an Stelle des Buches einen Apfel in der rechten Hand. Dadurch wird der
Zusammenhang des Bildes mit der Berliner Skizze noch auffälliger"). In der Aus-
führung der Madonna mit den Heiligen Franciscus und Bernhardin (im Berliner
Museum) schließt sich Raffael teils an das genannte Werk Pinturicchos an, teils
folgt er, besonders in dem heiligen Franciscus, dem Vorbilde Peruginos. Für die
Madonna di Casa Diotalevi, die früher als Werk Peruginos galt, ist die Madonna
mit vier Heiligen Peruginos vorbildlich gewesen, doch ist, wie bereits dargelegt,
Raffael an dieser Schöpfung seines Lebens stark beteiligt.
Ganz peruginesk ist die Madonna Solly, deren Komposition auf eine Federzeich-
nung Peruginos im Louvre zurückgeht, während der Christusknabe dem Altarbilde
Peruginos von 1493 in den Uffizien entlehnt ist. Der heilige Sebastian in der Acca-
demia Carrara zu Bergamo, dessen direktes Vorbild sich nicht nachweisen läßt,
gehört ebenfalls in die Peruginer Periode Raffaels. Beachtenswert ist der Hinweis
Berensons4), daß eine Wiederholung des Bildes von der Hand Spagnas in der
(1) Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd. V, Jahrg. 1884.
(2) Die Galerie zu Berlin, Leipzig, p. 262 u. f.
(3) Vgl. Lippmann im Jahrb. der Preuß. Kunstsamml. II, 1881, p. 62.
(4) Gazette des Beaux-Arts, 1896, p. 212.
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sehen von der während der Restauration ganz erneuerten und vielleicht sogar ge-
fälschten Inschrift auf dem Kleidersaum des Apostels Thomas RAP. VR. MDV (?)
kein Argument anführen. Für die Datierung gibt einen terminus ante quem die aus
der Werkstatt Peruginos hervorgegangene, bereits oben erwähnte Wiederholung des
Abendmahles auf der Predellentafel der Madonna zwischen vier Heiligen mit dem Datum
1500 im Kaiser Friedrich-Museum. Vor diesem Bilde also und sicherlich nach dem
Tafelbilde der Beweinung Christi aus dem Jahre 1495 (Pitti) und nach dem Fresko der
Kreuzigung in S. Maria Maddalena dei Pazzi aus dem Jahre 1496 wird dieses schwä-
chere, aber des Meisters durchaus nicht unwürdige Werk angesetzt werden dürfen.
Wenn Raffael, wie wir gesehen haben, bis zum Jahre 1503 mehrfach für Cittä
di Castello beschäftigt war, und in allen für diese Stadt geschaffenen Werken der
Stil Peruginos in die Erscheinung tritt, so müssen neue, frische Eindrücke aus
Perugia und eine Tätigkeit als Gehilfe in Meister Pietros Werkstätte ange-
nommen werden. Diese MitwirkunglRaffaels läßt sich an mehreren zwischen 1500
und 1504 entstandenen Werken Peruginos nachweisen. Es scheint zwischen
ihnen ein geistiger Austausch stattgefunden zu haben, der für den jungen, hochbe-
gabten Künstler von größter Bedeutung wurde uud zugleich den alternden Meister
zu neuem Aufschwünge mitriß. Raffael hat eine ganze Anzahl seiner Gemälde aus
der Zeit von 1500 bis 1504 unter den Augen und wahrscheinlich in der Werkstätte
Peruginos begonnen und in weitestem Umfange Kompositionen und Entwürfe des
Meisters für seine eigenen Arbeiten verwendet. Bei den im folgenden mitgeteilten
Nachweisen der Einflüsse Peruginos auf die von Raffael in der genannten Epoche
geschaffenen Werke schließen wir uns im allgemeinen Georg Gronau an.
Raffaels Madonna del Libro ist eng mit der Zeichnung des Berliner Kupferstich-
kabinetts verwandt, auf deren anderer Seite sich die Kompositionsskizze zu der
Madonna del Duca di Terranuova befindet. Wie Morelli zuerst erkannt hat2), rührt
dieses Blatt von Perugino her, doch lehnt sich Raffael in der Ausführung mehr an
Pinturicchios großes Altarwerk von 1498 in der Peruginer Pinakothek an. Bei der
Übertragung des Bildes auf Leinwand konnte festgestellt werden, daß Raffael
während der Arbeit eine Änderung vorgenommen hat. Die Madonna hielt ursprüng-
lich an Stelle des Buches einen Apfel in der rechten Hand. Dadurch wird der
Zusammenhang des Bildes mit der Berliner Skizze noch auffälliger"). In der Aus-
führung der Madonna mit den Heiligen Franciscus und Bernhardin (im Berliner
Museum) schließt sich Raffael teils an das genannte Werk Pinturicchos an, teils
folgt er, besonders in dem heiligen Franciscus, dem Vorbilde Peruginos. Für die
Madonna di Casa Diotalevi, die früher als Werk Peruginos galt, ist die Madonna
mit vier Heiligen Peruginos vorbildlich gewesen, doch ist, wie bereits dargelegt,
Raffael an dieser Schöpfung seines Lebens stark beteiligt.
Ganz peruginesk ist die Madonna Solly, deren Komposition auf eine Federzeich-
nung Peruginos im Louvre zurückgeht, während der Christusknabe dem Altarbilde
Peruginos von 1493 in den Uffizien entlehnt ist. Der heilige Sebastian in der Acca-
demia Carrara zu Bergamo, dessen direktes Vorbild sich nicht nachweisen läßt,
gehört ebenfalls in die Peruginer Periode Raffaels. Beachtenswert ist der Hinweis
Berensons4), daß eine Wiederholung des Bildes von der Hand Spagnas in der
(1) Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd. V, Jahrg. 1884.
(2) Die Galerie zu Berlin, Leipzig, p. 262 u. f.
(3) Vgl. Lippmann im Jahrb. der Preuß. Kunstsamml. II, 1881, p. 62.
(4) Gazette des Beaux-Arts, 1896, p. 212.
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