DIE PLANE NICOLAUS DE PIGAGES
ZUR KARLSRUHER RESIDENZ
Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel Von KARL LOHMEYER
1715 hatte der Markgraf Karl Wilhelm von Baden, als er seiner Residenz Dur-
lach im Zorne den Rücken kehrte, mitten im Hardtwalde sich ein neues Schloß
errichtet, um das sich strahlenförmig die Straßen seiner neuen Residenzstadt zu
legen hatten und das so als Mittelpunkt gewissermaßen auch architektonisch den
absolutistischen Glanz des Herrschers zu versinnbildlichen und ins Land hinauszu-
strahlen hatte. — Um die Mitte des Jahrhunderts genügte dieser nur leichte Bau
in keiner Weise mehr den Anforderungen, wie ihn ein glänzender Hof dieser Zeit
zu stellen gewohnt war und so wurde die Frage nach einem Umbau immer bren-
nender und der Entschluß des Markgrafen Karl Friedrich im Jahre 1749, einen
Neubau zu errichten, gab dann einer Reihe von bedeutenden in- und ausländischen
Architekten die erwünschte Gelegenheit, ihr Können im Lösen großzügiger Probleme
zu zeigen. Die Namen der Italiener Retti und Pedetti, der Franzosen De la Gue-
piere und Massol und der Deutschen Neumann und von Keßlau treten uns so in
der Baugeschichte entgegen1).
Völlig unbeachtet blieb aber bisher die Tatsache, daß auch der geniale, damals
in Kurpfälzischen Diensten stehende (seit 1748) Nicolaus de Pigage gleichfalls Pläne
für die Karlsruher Residenz geliefert hat.
Sie kamen mir bei einer systematischen Durchsicht der vorhandenen barocken
Bauakten, wie ich sie für diese Gegenden vorzunehmen im Begriffe bin, im General-
landesarchiv in Karlsruhe in die Hände und sind von späterer Schreiberhand außen
irrtümlich als Risse zum Mannheimer Schlosse, an dem ja Pigage gleichfalls tätig
war, bezeichnet. Wenn sie auch sonst keine nähere Signatur tragen, so wird ihre
Bestimmung für die badische Residenz sofort durch den Grundriß des Erdgeschosses
klar, der die Radialstrahlen aufweist und wenn etwa noch ein Zweifel möglich
wäre, so wird er durch den Plan des ersten Stockwerks benommen, der am rechten
Pavillon die Bezeichnung trägt: „Appartements pour S. S. ME! le Margrave".
Diese Pläne — ein Fassadenentwurf und drei Grundrisse — bilden eine wichtige
Quelle, um die künstlerischen Bestrebungen Pigages kennen zu lernen, der das Unglück
hatte, daß verhältnismäßig weniges von seinen großartigen Plänen zur Ausführung kam.
Die Karlsruher Risse zeigen den nächsten Bezug zu gleichfalls nicht verwirk-
lichten Plänen des Meisters für ein neues Schwetzinger Schloß, wie sie Sillib bei-
brachte 2), die auch ihrerseits als Mittelstück des Baues den etwas plumpen, mäch-
tigen Rundpavillon aufweisen, dessen Wirkung allerdings bei der Karlsruher Resi-
denz als hoch hinanragender Mittelpunkt des Straßensternes nicht zu unterschätzen
gewesen wäre.
Die von den Baukünstlern des XVIII. Jahrhunderts mit so großer Vorliebe auf-
genommene Gruppierung von Schloßbauten um einen zentralen Mittelrund- oder
Ovalsaal, der den Hauptfestraum bildete, war an sie durch Andrea Palladios Bau
der Villa rotonda vermittelt worden, wie es denn überhaupt der so lange geschmähte
Barockstil und vor allem seine edelste Unterphase, das Rokoko, gewesen ist, dem
(x) Vgl. J. v. Durm: Zur Baugeschichte des Großh. Residenzschlosses in Karlsruhe. Festgabe der
Technischen Hochschule Karlsruhe 1892.
(2) R. Sillib: Schloß und Garten in Schwetzingen. Heidelberg 1907.
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ZUR KARLSRUHER RESIDENZ
Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel Von KARL LOHMEYER
1715 hatte der Markgraf Karl Wilhelm von Baden, als er seiner Residenz Dur-
lach im Zorne den Rücken kehrte, mitten im Hardtwalde sich ein neues Schloß
errichtet, um das sich strahlenförmig die Straßen seiner neuen Residenzstadt zu
legen hatten und das so als Mittelpunkt gewissermaßen auch architektonisch den
absolutistischen Glanz des Herrschers zu versinnbildlichen und ins Land hinauszu-
strahlen hatte. — Um die Mitte des Jahrhunderts genügte dieser nur leichte Bau
in keiner Weise mehr den Anforderungen, wie ihn ein glänzender Hof dieser Zeit
zu stellen gewohnt war und so wurde die Frage nach einem Umbau immer bren-
nender und der Entschluß des Markgrafen Karl Friedrich im Jahre 1749, einen
Neubau zu errichten, gab dann einer Reihe von bedeutenden in- und ausländischen
Architekten die erwünschte Gelegenheit, ihr Können im Lösen großzügiger Probleme
zu zeigen. Die Namen der Italiener Retti und Pedetti, der Franzosen De la Gue-
piere und Massol und der Deutschen Neumann und von Keßlau treten uns so in
der Baugeschichte entgegen1).
Völlig unbeachtet blieb aber bisher die Tatsache, daß auch der geniale, damals
in Kurpfälzischen Diensten stehende (seit 1748) Nicolaus de Pigage gleichfalls Pläne
für die Karlsruher Residenz geliefert hat.
Sie kamen mir bei einer systematischen Durchsicht der vorhandenen barocken
Bauakten, wie ich sie für diese Gegenden vorzunehmen im Begriffe bin, im General-
landesarchiv in Karlsruhe in die Hände und sind von späterer Schreiberhand außen
irrtümlich als Risse zum Mannheimer Schlosse, an dem ja Pigage gleichfalls tätig
war, bezeichnet. Wenn sie auch sonst keine nähere Signatur tragen, so wird ihre
Bestimmung für die badische Residenz sofort durch den Grundriß des Erdgeschosses
klar, der die Radialstrahlen aufweist und wenn etwa noch ein Zweifel möglich
wäre, so wird er durch den Plan des ersten Stockwerks benommen, der am rechten
Pavillon die Bezeichnung trägt: „Appartements pour S. S. ME! le Margrave".
Diese Pläne — ein Fassadenentwurf und drei Grundrisse — bilden eine wichtige
Quelle, um die künstlerischen Bestrebungen Pigages kennen zu lernen, der das Unglück
hatte, daß verhältnismäßig weniges von seinen großartigen Plänen zur Ausführung kam.
Die Karlsruher Risse zeigen den nächsten Bezug zu gleichfalls nicht verwirk-
lichten Plänen des Meisters für ein neues Schwetzinger Schloß, wie sie Sillib bei-
brachte 2), die auch ihrerseits als Mittelstück des Baues den etwas plumpen, mäch-
tigen Rundpavillon aufweisen, dessen Wirkung allerdings bei der Karlsruher Resi-
denz als hoch hinanragender Mittelpunkt des Straßensternes nicht zu unterschätzen
gewesen wäre.
Die von den Baukünstlern des XVIII. Jahrhunderts mit so großer Vorliebe auf-
genommene Gruppierung von Schloßbauten um einen zentralen Mittelrund- oder
Ovalsaal, der den Hauptfestraum bildete, war an sie durch Andrea Palladios Bau
der Villa rotonda vermittelt worden, wie es denn überhaupt der so lange geschmähte
Barockstil und vor allem seine edelste Unterphase, das Rokoko, gewesen ist, dem
(x) Vgl. J. v. Durm: Zur Baugeschichte des Großh. Residenzschlosses in Karlsruhe. Festgabe der
Technischen Hochschule Karlsruhe 1892.
(2) R. Sillib: Schloß und Garten in Schwetzingen. Heidelberg 1907.
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