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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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fehl, wenn ich das Fenster als eine Huldigung an
Sigismund oder eine Erinnerung an das für Ulm
immerhin denkwürdige Ereignis ansehe, die um
so selbstverständlicher erscheint, als unter den
älteren wappenhaltenden Kurfürsten der Südfront
der böhmische, wohl in Zusammenhang mit der
Absetzung König Wenzels, fehlt. Es galt hier
eine Unterlassung, die auf Sigismund peinlich
wirken mußte, gut zu machen. Dieser Reichstag
ist derselbe, auf dem der mit der Sorge um das
Grabmal betraute Sohn Ludwigs vor dem Kaiser
REZENSIONEN .
WILHELM PINDER, Mittelalterliche
Plastik Würzburgs. Versuch einer lo-
kalen Entwicklungsgeschichte vom Ende
des XIII. bis zum Anfang des XV. Jahr-
hunderts. Würzburg, Curt Kabitzsch (A.
Stubers Verlag), 1911.
Die deutsche Plastik des XIV. Jahrhunderts ge-
hört nicht zu den lockendsten Gebieten kunstge-
schichtlicher Forschung. Sie erscheint als Über-
gangskunst zwischen dem Monumentalstil des XIII.
und dem Realismus des XV.Jahrhunderts. Dennoch
läßt sie eine zielstrebige Entwicklung so schwer
nur erkennen, daß Arbeiten aus dem Anfang und
dem Ende des Jahrhunderts oft miteinander ver-
wechselt werden. Sie ist gebrandmarkt mit dem
Schlagwort des Manierismus, hinter dem eine
summarische Betrachtung — wie auch in anderen
Übergangsepochen, z. B. der niederländischen
Malerei des hohen und späten XVI. Jahrhunderts
— das Neue eines künstlerischen Wollens gern
verkennt. Und sucht man den „Fortschritt", so
denkt man zumeist nur an die bereitwillig zuge-
standene Verfeinerung und Berichtigung der Wirk-
lichkeitsschilderung, die aber gerade unserer Zeit
mit dem anspruchsvollen Streben nach dem großen
Stil und der beginnenden Reaktion gegen die von
der Sammlermode getragene Vorliebe für die rea-
listische Plastik der Spätgotik noch keine Liebe
zu wecken vermag! — Überdies hat tatsächlich
die Verbreiterung der plastischen Produktion, die
das XIV. Jahrhundert in Deutschland bringt, zu
einem qualitätslosen Handwerk geführt, und neben
dem oft selbstgefälligen Manierismus gilt die de-
korative Flüchtigkeit als das bekannteste Charak-
teristikum dieser Kunst.
Trotzdem haben die letzten Jahre eine besonders
stattliche Reihe von Untersuchungen über die deut-
sche Plastik des XIV. Jahrhunderts gebracht, die
eine Korrektur des ungünstigen Gesamturteils über

erschien, bei welcher Gelegenheit er in Hans Mult-
scher „den besten Werkmann und Visierer", nach
dem er zu suchen hatte, gefunden haben wird.
Die Tatsachen greifen sämtlich dermaßen prompt
ineinander, daß mir, wenn nicht ganz gewichtige
Gegengründe geltend gemacht werden sollten, nur
der eine Schluß erlaubt scheint; Hans Multscher
in Ulm hat 1435 das Modell zu einem Grabstein
für Herzog Ludwig den Gebarteten geschaffen, das
heute eine Perle des Bayrischen Nationalmuseums
bedeutet. K. Fr. Leonhardt.

diese Kunst bedeuten. Fast alle diese Unter-
suchungen haben die Bearbeitung eines lokal oder
landschaftlich begrenzten Bezirkes zum Inhalt.
Für eine entsprechende Bearbeitung der Würz-
burger Plastik der Zeit, wie wir sie nun dem Buche
Pinders verdanken, liegen die Verhältnisse nicht
besonders günstig. Vor allem fehlt hier eine, über
den ganzen Zeitraum sich erstreckende, durch-
laufende Produktion, wie sie an anderen Orten im
Gefolge großer baulicher Unternehmungen sich
entwickelte und verfolgen läßt. Der plastische
Schmuck an der Deutschhauskirche und dem
Augustinerkloster, der zum ersten Male hier eine
eingehende Würdigung erfährt, reicht gerade
aus, um die historische Situation für den
Anfang der behandelten Epoche zu bestimmen,
und dann bietet sich erst wieder am Ausgang der
Epoche in der Bauhütte der Marienkapelle ein ge-
schlossener und ergiebiger Denkmälerkreis. Für
die Zwischenzeit, also fast für das ganze hier zur
Untersuchung stehende Jahrhundert, liegen aus-
schließlich Einzeldenkmäler vor, besonders Grab-
mäler und Madonnenstatuen, die überdies ja nur
einen Bruchteil der Produktion darstellen. Diesem
lückenhaften Material gegenüber war es geboten,
nach Vollständigkeit zu streben, da nur so (auch
die Siegel sind eingehend berücksichtigt) eine ge-
schlossene Entwicklungslinie zu finden und die
entscheidenden Strömungen zu erkennen waren.
So wird neben einzelnen ganz hervorragenden
Kunstwerken auch manches behandelt, das weniger
um seiner selbst willen, als seiner Perspektiven
wegen wichtig wird. Daß gerade bei einer so
ausgreifenden Behandlung einer deutschen Lokal-
schule das Fehlen einer grundlegenden Unter-
suchung über die führenden französischen Schulen
gerade des XIV. Jahrhunderts und den Verlauf
ihrer Filiationen immer wieder vermißt wird, ist
nur selbstverständlich.
Neben dieser Einordnung der Werke in den

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