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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Marquard, A.: Aus der 30jährigen Geschichte des württembergischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0025
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A. Marquard, Aus der 30jährigen Geschichte des Württembergischen Kunstgewerbevereins. J()

AUS DER 30JÄHRIGEN GESCHICHTE DES WÜRT-
TEMBERGISCHEN KUNSTGEWERBE VEREINS.

Als im Jahre 1876 die auch von Württembergern zahlreich besuchte erste deutsche
kunstgewerbliche Ausstellung in München Gelegenheit zu einer Uebersicht darüber
gab, welch glücklichen und erfolgreichen Einfluß der Geist der Kunst auf Gewerbe
und Industrie auszuüben begonnen hatte, erwachte im Kreise einsichtiger Männer in
Stuttgart der Gedanke, dieser modernen Kulturbewegung auch bei uns mehr Interesse
und Förderung angedeihen zu lassen. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel
hatte ja schon seit längerer Zeit mit sichtlichen Erfolgen der Vervollkommnung der
Technik und der wirtschaftlichen Hebung der Gewerbe gedient, der Ruhm des
schwäbischen Gewerbefleißes hatte sich bereits weit über die Grenzen der schwä-
bischen Heimat verbreitet, der Kunstindustrie aber hatte es bisher an lebhaftem
innerem Antrieb gefehlt. Nicht als ob es allgemein an Kunstindustrie gemangelt hätte,
im Gegenteil, gerade bei uns war die Kunstindustrie verhältnismäßig mehr als im
Norden vertreten, um nur an die Elfenbeinschnitzerei in Geislingen, die Schwarz-
wälder Uhrenindustrie, an die Fabrikation damals beliebter lackierter Holzwaren,
der Gmünder Gold- und Heilbronner Silberwaren, der Möbel-, Leder-, Porzellan- und
Glasarbeiten zu gedenken. In der Form aber herrschte die Dutzendware weitaus
vor, die Willkür, die Nachahmung, die Geschmacklosigkeit. Selbstverständlich nicht
ohne einzelne rühmliche Ausnahmen, die aber bezeichnenderweise fürs Ausland mehr
beschäftigt waren wie für das deutsche Publikum.

Der Gedanke, hier fördernd, helfend und anregend mit einzugreifen, der Ueber-
zeugung entsprungen, daß nicht allein Gewerbekunst und Gewerbekünstler, sondern
auch ein Publikum geschaffen werden müsse, das Verständnis und Kauflust entwickle
für die Reize des schönen Geschmacks, — dieser Gedanke fand bei zahlreichen
einsichtigen Männern der schwäbischen Hauptstadt und auch draußen im Lande im
Sommer 1876 einen guten Boden und am 9. Dezember 1876 fand die konstituierende
Sitzung des Württembergischen Kunstgewerbevereins statt. An die Spitze des
Vereins wurden gestellt: Oberregierungsrat von Luz als administrativer Vorstand,
Oberbaurat von Leins als artistischer Vorstand, Fabrikant A. Stotz als stellver-
tretender Vorstand und Kommerzienrat A. Pflaum als Schatzmeister. Dem Aus-
schuß gehörten an: Fabrikant P. Bruckmann-Heilbronn, Fabrikant C. Deffner-
Eßlingen, Professor A. Donndorf, Oberbaurat von Egle, Fabrikant Georg Ehni,
Fabrikant Jul. Erhard-Gmünd, Fabrikant Carl Faber, Fabrikant Carl Hägele-
Geislingen, Maler K. Herdtie, Regierungsdirektor Dr. von Jäger, Fabrikant Heinrich
Koch, Professor Carl Kopp, Professor Dr. von Lübke, Ziseleur R. Mayer, Rechts-
anwalt Dr. Oswald-Ulm, Professor Rob. Reinhardt, Freiherr von Reischach,
Maler J. Schnorr, Fabrikant G. Schöttle und Verlagsbuchhändler Wilh. Spemann.
Sekretär war Dr. Landgraf. Nur wenige dieser „Väter des Vereins" sind noch am
Leben. Mit besonderer Freude aber darf hier konstatiert werden, daß der Schatz-
meister damaliger Zeit, Herr Geheimer Kommerzienrat von Pflaum, auch heute
nach 30 Jahren ununterbrochener Tätigkeit für den Verein noch dieses Amt bekleidet,
gewiß ein gutes Zeichen für den Verein wie besonders für die heutzutage so seltene
und darum um so verdienstvollere Treue und Ausdauer eines Vereins- und Vorstands-
mitgliedes.

Aus den Protokollen der ersten Zeit ist an bemerkenswerten Einzelheiten zu er-
sehen, daß schon im ersten Jahre des Bestehens König Karl das Protektorat über
den Verein übernahm, ..nachdem, wie die Kabinettsordre lautet, er sich davon
überzeugt, mit welchem Ernst der Verein seiner schönen und verdienstvollen Auf-
gabe gerecht zu werden bestrebt sei'". Als außerordentliche Ehrenmitglieder traten
alsbald bei die Königin Olga, Prinz und Prinzessin Wilhelm, Prinz und Prinzessin
Herrmann von Sachsen-Weimar.

Die erste Ausstellung galt einem der bedeutendsten Vertreter des württem-
bergischen Kunstgewerbes, dem 1836 verstorbenen Konrad Weitbrecht, der als
 
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