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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Preßstimmen / Literarische Neuheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0080
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Mitteilungen des Württembergischen Knnstgewerbevereins.

Preisstimmen

über die Ausstellungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

DIE VAN DE VELDE-AUSSTELLUNG (25. November bis 30. Dezember 1906).

Wohl kaum ein zweiter Künstler hat in der großen Dresdener Kunstgewerbeausstellung von
diesem Jahr eine so verschiedenartige Beurteilung gefunden, als Henry Clemens van de Velde
(geb. 1863, zurzeit in Weimar) mit seiner großen vieleckigen Museumshalle, deren oberer Umgang
mit Wandgemälden von Ludwig v. Hofmann geschmückt war. Ich glaube indessen, daß mancher
der Gegner etwas beschwichtigt worden wäre, wenn er die Halle bei künstlicher, elektrischer oder
anderer Beleuchtung hätte erblicken können, da alsdann die etwas schweren Metallteile der Be-
leuchtungskörper wie flammende Lichtstrahlen erschienen wären.

Es trifft sich nun gut, daß dieser vielgenannte und hervorragende Kunstgewerbler, bekanntlich
ein Belgier von Geburt, in dem sog. Turmzimmer des Württembergischen Kunstgewerbevereins
eine interessante Kollektiv-Ausstellung veranstaltet hat und zwar, wie ich von vornherein bemerken
will, eine Ausstellung, die alle diejenigen angenehm enttäuschen wird, welche bizarre Extravaganzen
erwarten. Die Linien, Umrisse und Formen dieser zahlreichen Tassen, Teller, Platten, Teekannen usw.
wachsen gleichsam aus der natürlichen Zweckmäßigkeit heraus und machen den Eindruck künst-
lerischer Echtheit, Ehrlichkeit und Gediegenheit. Allerdings auch den einer gewissen Schwere;
wie sehr aber bei ihnen an die praktische Verwendung gedacht ist, beweist die fast gänzliche Ab-
wesenheit jeglicher Ornamente, die bekanntlich eine gründliche Reinigung ziemlich erschweren;
ferner die eingelegten Griffe aus Bein, sehr zweckmäßig bei starker Erhitzung der Gefäße und
Platten, und ebenso die ganz eigenartig gestalteten Ausgußöffnungen der Kannen, die sog. Schnäuzchen,
die so oft zu wünschen lassen. Dabei zeigen diese Silber- und Zinngefäße, wie auch das weiß-
goldene Kaffee- und Teeservice in Meißener Porzellan, noble, schöngeschwungene und massige
Formen. Unter den kleinen Messern, Gabeln, Löffeln, sowie unter den Schmucksachen wird man
gleichfalls Stücke von ungemein reizvollen und einfachen Zinnformen finden und auch die alle diese
Dinge beherbergenden Glaskästen mit ihren Untergestellen fordern itnsere Aufmerksamkeit heraus,
sind sie doch ganz nach dem Muster jener Sänftekästen geformt, wie sie der Dresdener Maler
G. Kühl auf verschiedenen seiner besten Bilder verewigt hat.

Van de Velde scheint die starre gerade Linie selten zu verwenden, nur bei seinen massiven
Beleuchtungskörpern sehen wir sie im Verein mit Kreislinien und Ellipsen und desgl. bei einem
Vasenständer in dem Damenzimmer. Der Schreibtisch in seinem Herrenzimmer dagegen macht mit
seinen geschweiften Linien nicht nur einen sehr originellen, sondern auch einen behaglichen und
einladenden Eindruck. Es sitzt sich angenehm an dieser, in leichtem Bogen ausgeschnittenen Tisch-
platte und man denkt an jenen freilich etwas stärker ausgeschnittenen Schreibtisch des Königs
Friedrich in Monrepos, dessen Ausschnitt allerdings den Zweck hatte, der stattlichen Rundung des
königlichen Leibes sich anzuschmiegen. Auch die Farben dieses Herrenzimmers stimmen schön zu-
sammen. Hervorzuheben ist in dieser Abteilung noch ein Postament in Steleform mit einem un-
gemein geschmackvoll in Holz geschnitzten Aufsatz. Auch die Korbmöbel, darunter ein schöner
Blumentisch mit Griffen, werden großen Anklang finden; weniger vielleicht das Damenzimmer mit
seinen weiß angestrichenen Möbeln, unter denen der Schreibtisch mit seinen starken Bogenformen
den Eindruck macht, als sei er für eine recht stattliche Dame gedacht. Die stark nach unten sich
verjüngenden Bogenformen erinnern sogar an gewisse Zeichnungen von Wilhelm Busch und wirken
etwas komisch. Das sind so einige kleine kritische Ausstellungen; im ganzen aber überwiegen die
wertvollen Anregungen. _ (H. T. im „Neuen Tagbl.")

DIE AUSSTELLUNG J. V. CISSARZ-Stuttgart (24. Dezember 1906 bis 15. Januar 1907).

Die Ausstellung von J. V. Cissarz, die bis zum 15. Januar in den Ausstellungsräumen des
Württembergischen Kunstgewerbevereins im Landesgewerbemuseum zu sehen ist, gewährt ein
eindrucksvolles Bild von dem vielseitigen Schaffen des jetzt bekanntlich in Stuttgart wirkenden
Künstlers. Was auf den ersten Blick angenehm berührt, ist bei aller Lebhaftigkeit des künst-
lerischen Gestaltungsdrangs der wohltuende Gegensatz zu den weitgehenden Extravaganzen, durch
die manche unserer heutigen Kunstgewerbler glänzen zu müssen glauben. Man vergegenwärtige
sich z. B. das unschöne Plakat von der letzten Nürnberger Ausstellung und vergleiche damit die
vortrefflichen Leistungen, die Cissarz gerade auf dem Gebiet der Plakatkunst aufzuweisen hat.
Auch bei Cissarz ist dem Zweck, dem das Plakat dienen soll, in vollem Maße Genüge geleistet,
aber seine Kunst ist, indem sie sich zur Dienerin der Reklame hergab, doch Kunst geblieben. Die
Plakate von Cissarz sind edel in der Zeichnung und fein harmonisch in der Farbengebung, dabei
aber doch kräftig in der Gesamtwirkung. Dieselbe Feinheit der Zeichnung und koloristische Vor-
nehmheit zeichnet auch die mannigfachen festlichen Drucksachen aus, die Cissarz während seiner
Tätigkeit in Darmstadt zu entwerfen Gelegenheit hatte, und zu denen namentlich die Darmstädter
Hoffestlichkeiten (aus Anlaß der Neuvermählung des Großherzogs etc.) reichlichen Anlaß boten. Auf
dem nachbarlichen Gebiet des Buchschmucks, zumal in Schwarz-Weiß, hat Cissarz gleichfalls eine
vielverzweigte und fruchtbare Wirksamkeit entfaltet. Dankbare Aufgaben bietet einem Künstler
mit fein entwickeltem Farbensinn auch immer noch die Glasmalerei. Auch hier hat Cissarz schöne
Erfolge aufzuweisen. Vornehmes Formen- und Farbengefühl offenbart er endlich in seinen Textil-
entwürfen, in den koloristisch sehr fein abgestimmten Vorhangstoffen, in seinen Stofftapetenmustern
und in einer sehr glücklich entworfenen Teedecke, die das Entzücken aller Hausfrauen bilden wird.
 
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