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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Marquard, A.: Aus der 30jährigen Geschichte des württembergischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0027
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A. Marquard, Aus der 30jährigen Geschichte des Württembergischen Kitnstgewerbevereins. 21

Modelleur der Bruckmannschen Silberwarenfabrik, als artistischer Vorstand des
Eisenwerks "Wasseralfingen und als Lehrer am Polytechnikum eine so überreiche
Fülle von kunstgewerblichen Entwürfen und Erzeugnissen geschaffen hatte, daß sie
drei Langsäle des Königsbaues füllten. Die Idee schlug ein, die Ausstellung erfreute
sich eines sehr zahlreichen Besuches auch von Gewerbevereinen aus dem Lande und
der ..wenn auch vielfach still und unbemerkt erzielte Erfolg"', wie der erste Jahres-
bericht sagt, ermunterte den Verein einen Schritt im Ausstellungswesen weiter zu
gehen und denjenigen Gewerbetreibenden des Landes, welche schon jetzt mit der
Technik zugleich Form und Farbe zu beherrschen verstanden und die Zweckmäßig-
keit eines Gebrauchsgegenstandes mit der Anmut des Geschmackes zu verbinden
wußten, Gelegenheit zu bieten, ihren Gewerbegenossen mit gutem Beispiel voranzu-
gehen, dem Publikum aber die jetzt schon vorhandene Leistungsfähigkeit auf einzelnen
bisher schon begünstigten Gebieten zu beweisen. Im Dezember 1877 wurde die erste
Weihnachtsausstellung veranstaltet, die von annähernd 10 000 Personen besucht wurde.
Der Erfolg nach dieser Seite hin regte den Gedanken an, von der ursprünglich ge-
planten Förderung und Unterstützung bestehender Zeitschriften kunstgewerblichen
Inhalts zu einer eigenen Publikation überzugehen „auf neuer, bisher unbetretener
Bahn" schon um deswillen, um mit den zahlreich gewordenen Mitgliedern im Lande
beständig in enger Fühlung zu bleiben. — Die heutigen Mitglieder des Vereins wissen
indes, wie lange es gedauert hat, bis dieser Plan ins Leben trat.

"Weitere Punkte des ursprünglichen Programms waren: Vermittlung von kunstgewerb-
lichen, im Privatbesitz befindlichen Gegenständen älterer Zeit an einzelne Gewerbe-
treibende, Besorgung von Abgüssen und Zeichnungen musterhafter Originale und För-
derung der Benützung der vorhandenen Fachbibliotheken durch die Gewerbetreibenden.
Auch hierin hatte der junge Verein gute Erfolge und es erschien ganz besonders
nachahmenswert, daß in einem besonderen Fall dem Verein die Auswahl der tüch-
tigsten "Werkstätte und die gesamte Ueberwachung der Herstellung einer Ausstattung
von Altargerätschaften für einen Stuttgarter Kirchenneubau von der hohen Geberin,
der Königin Olga, anvertraut wurde.

Auch mit Preisausschreiben ging der Verein alsbald vor. Die ersten waren
Entwürfe einer Damasttischdecke, eines Jacquardtafeltuchs, eines Kaffeegeräts, sowie
Schwarzwälder Wand- und Standuhren.

Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. von Lübke über ..Die kunstgewerblichen
Bestrebungen der Gegenwart" und der Bericht vergißt die Anmerkung nicht, daß
dieser Vortrag für die Ziele des Vereins bahnbrechend wirkte; den zweiten Vortrag
hielt Redakteur Stoll-Ludwigsburg über „Die Blechindustrie und ihre Beziehungen zum
Kunstgewerbe", den dritten — bemerkenswert ist die Vielseitigkeit der Themata -
der Sekretär Dr. Landgraf über .,Die volkswirtschaftliche Bedeutung der kunst-
gewerblichen Bestrebungen mit besonderer Rücksicht auf das Handwerk".

So war die Grundlage und der Anfang geschaffen. Ein interessantes Licht auf
die Schaffensfreudigkeit der ersten Mitglieder aber wirft die Tatsache, daß der Verein
im ersten Jahre nicht weniger als 51 Plenar- und Kommissionssitzungen abgehalten
hat. Die Zahl der Mitglieder betrug am Schluß des ersten Jahres 461.

So konnte man feststellen, daß der Verein für seine Interessen einen glücklichen
und empfänglichen Boden im schwäbischen Land gefunden und eine ersprießliche
Zugabe für die württembergische Volkswirtschaft bedeutete.

Mit den Erfolgen wuchsen in den nächsten Jahren Mut. Eifer, Opferfreudigkeit
und Unternehmungslust und es ist höchst erfreulich, aus den Jahresberichten die
Freude und Tatkraft der Künstler und Industriellen herauslesen zu können. Im
Jahre 1879 wurde der Plan eines eigenen Vereinshauses auf Grundlage von Garantie-
scheinen erwogen, gleichzeitig griff man die Idee einer Landesgewerbeausstellung
auf, deren Hauptgebäude die noch zu errichtende städtische Gewerbehalle bilden
sollte und beschloß für "Weihnachten 1879 die erste "Wanderausstellung, die dem
Publikum einfache Zimmerausstattungen im "Werte von nicht über 500 Mark und zwar
in Stuttgart, Ulm und Heilbronn zur Anschauung bringen sollte. Der Verein erhielt
die Erlaubnis zu einer großen Lotterie mit 70000 Losen ä 1 Mark zur Durchführung
dieser Ausstellung, die dann auch aufs beste gelang und überallher lebhaft besucht
wurde. .,Sie bot ein abgerundetes, farbenreiches, von künstlerischem Sinn durch-
 
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