A. Brinckmami, Altes Kunstgewerbe.
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existiert bekanntlich ans dem frühen Mittelalter so gut wie kein hölzernes
Hausgerät mehr, die Zeit mag es aufgebraucht haben. Es ist schon ganz
besonders hervorzuheben, daß die Symmetrie-Ausstellung in der Lage war,
in einer thronenden Madonna eine romanische Holzskulptnr vorzuführen (Bes.
Altertums-Museum Dresden). In ihrer steifen Haltung, dem starren Gesichts-
ausdruck und der strengen, fast symmetrischen Faltengebung dürfte sie noch
in das Ende des 12. Jahrhunderts zu setzen sein, "Welch ein Kontrast zn der
kleinen gotischen Figur einer weib-
lichen Heiligen aus Lindenholz, die
bei ihrer leicht geschwungenen
Haltung mit schlanken Fingern
ihr faltenreiches Gewand rafft
(Bes. Theodor Schnell, Ravens-
burg). Sie ist die Arbeit eines
tüchtigen Schnitzers der schwä-
bischen Schule aus den letzten
Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts.
(Abb. 1.) Der gleichen Zeit gehörte
jener lebensgroße Ritter Georg
aus Tannenholz an (Bes. Theodor
Schnell, Ravensburg), der in seiner
gotischen Rüstung schon kultur-
historisch von höchstem Interesse
war, dem aber Haltung und Ge-
sichtszüge einen ganz besonderen
persönlichen Reiz verliehen. (Ab-
bildung 2.)
Die für das Mittelalter typische
Möbelform, die Truhe, bot dem
Schnitzer willkommene Gelegen-
heit, seine Kunst zu zeigen. Zu
dem anfänglichen Maßwerk ge-
sellten sich im Laufe des 15. Jahr-
hunderts die naturalistischen Mo-
tive der Spätgotik. Der Schrank
selber ist erst eine dem 15. Jahr-
hundert geläufige Form, seine Füll-
ungen bevorzugen als Schmuck,
abgesehen vom Maßwerk, jenes
Faltwerk-Ornament, das wir auf
der Ausstellung ein gotischer
Schrank fehlte — in wechselnden
Motiven als einzelne Füllbretter
(Bes. Kunstgewerbliches Museum
Prag) vertreten sahen. Auch Maß-
werk erblickten wir hier nicht an
einem Möbel, sondern als durch- .
Abb. 2. Ritter St. Georg, Tannenholz. Ende des 15. Jahrhunderts.
brochene, für eine Bekrönung ge-
(Bes. Theodor Schnell, Ravensburg.)
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existiert bekanntlich ans dem frühen Mittelalter so gut wie kein hölzernes
Hausgerät mehr, die Zeit mag es aufgebraucht haben. Es ist schon ganz
besonders hervorzuheben, daß die Symmetrie-Ausstellung in der Lage war,
in einer thronenden Madonna eine romanische Holzskulptnr vorzuführen (Bes.
Altertums-Museum Dresden). In ihrer steifen Haltung, dem starren Gesichts-
ausdruck und der strengen, fast symmetrischen Faltengebung dürfte sie noch
in das Ende des 12. Jahrhunderts zu setzen sein, "Welch ein Kontrast zn der
kleinen gotischen Figur einer weib-
lichen Heiligen aus Lindenholz, die
bei ihrer leicht geschwungenen
Haltung mit schlanken Fingern
ihr faltenreiches Gewand rafft
(Bes. Theodor Schnell, Ravens-
burg). Sie ist die Arbeit eines
tüchtigen Schnitzers der schwä-
bischen Schule aus den letzten
Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts.
(Abb. 1.) Der gleichen Zeit gehörte
jener lebensgroße Ritter Georg
aus Tannenholz an (Bes. Theodor
Schnell, Ravensburg), der in seiner
gotischen Rüstung schon kultur-
historisch von höchstem Interesse
war, dem aber Haltung und Ge-
sichtszüge einen ganz besonderen
persönlichen Reiz verliehen. (Ab-
bildung 2.)
Die für das Mittelalter typische
Möbelform, die Truhe, bot dem
Schnitzer willkommene Gelegen-
heit, seine Kunst zu zeigen. Zu
dem anfänglichen Maßwerk ge-
sellten sich im Laufe des 15. Jahr-
hunderts die naturalistischen Mo-
tive der Spätgotik. Der Schrank
selber ist erst eine dem 15. Jahr-
hundert geläufige Form, seine Füll-
ungen bevorzugen als Schmuck,
abgesehen vom Maßwerk, jenes
Faltwerk-Ornament, das wir auf
der Ausstellung ein gotischer
Schrank fehlte — in wechselnden
Motiven als einzelne Füllbretter
(Bes. Kunstgewerbliches Museum
Prag) vertreten sahen. Auch Maß-
werk erblickten wir hier nicht an
einem Möbel, sondern als durch- .
Abb. 2. Ritter St. Georg, Tannenholz. Ende des 15. Jahrhunderts.
brochene, für eine Bekrönung ge-
(Bes. Theodor Schnell, Ravensburg.)