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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Brinckmann, A.: Altes Kunstgewerbe: auf der Symmetrie-Ausstellung im k. Landesgewerbe-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0075
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A. Brinckmann, Altes Kunstgewerbe.

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düre oben in der Mitte das württembergische Wappen. Aber nicht immer zu
allen Zeiten wurden diese "Wandteppiche, wie man nur allzu allgemein an-
nimmt, auf Webstühlen gefertigt. Schon im frühen Mittelalter finden wir große,
figurenreiche Teppiche mit Nadel und derbem Wollfaden in einem besonderen
Stich von körniger Wirkung ausgeführt, und zwar keine Nadelmalereien, wie
sie die entwickelte Stickkunst späterer Zeiten schuf, sondern eine Technik, die
sich nur an rein flächenmäßige Darstellungen hielt. Ein wegen seiner Stich-
technik besonders interessantes Stück war deshalb der ausgestellte Wand-
behang von 1557 mit Wappen schwäbischer Adelsgeschlechter (Bes. Altertums-
sammlung Stuttgart, Abb. 21). Er stammt aus dem adeligen Frauenstift zu
Säckingen am Oberrhein und ist auf einem Stramingrund in einer kreuzstich-
ähnlichen Technik von zwei Fräulein von Stein gestickt worden, deren Wappen
sich in der Mitte des Teppichs befinden, während sich ringsherum zwischen
Renaissance-Ornamenten die Wappen von sechzehn Damen aus dem schwäbischen
Adel gruppieren. Um das zu vervollständigen, was die Ausstellung an Webe-
reien bot, seien noch die koptischen Gewebe genannt (Bes. Kunstgewerbe-
Museum Düsseldorf), bei denen die farbigen Schmuckstücke meist in einer der
Bildwirkerei ähnlichen Technik in den Grund mit der Hand eingeknüpft waren,
ferner die zwei Seidengewebe byzantinischer und sizilianischer Herkunft des
12. resp. 14. Jahrhunderts (Bes. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg) und
endlich einige Bauerngewebe des 17. und 18. Jahrhunderts aus Leinen, resp.
Leinen mit wollenem Schußfaden, mit ihren symmetrischen, unter dem Banne
der Technik stehenden Figurenszenen und Inschriften (Bes. Museum für Kunst
und Gewerbe Hamburg, K. Landesgewerbe-Museum Stuttgart und Hofrat
Klinkerbiß).

Nur qualitativ so hochstehende Stücke, wie sie die Symmetrie-Ausstellung
durchweg bot, konnten eine ergiebige Uebersicht über die hauptsächlichsten
Gebiete des kunstgewerblichen Schaffens seit dem Beginne christlicher Zeit-
rechnung ermöglichen. Vielleicht wird erst hinterher manchem Besucher die
kunsthistorische Bedeutung dieses oder jenes Stückes besser bewußt geworden
sein, als es an Ort und Stelle unter dem Zwang der Frage nach Symmetrie
und Gleichgewicht möglich war. Andererseits waren eben nur die besten
Stücke gut genug, um über die mit der Ausstellung angeregte ästhetische Frage
Antwort zu geben. Der Besucher hat auf der Ausstellung jedenfalls, mag
sein Interesse mehr der ästhetischen oder der kunsthistorischen Seite zuge-
wandt gewesen sein, Anregung mit Genuß aufs beste verbinden können.
 
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