Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

DOI article:
Pazaurek, Gustav Edmund: Corriger la Fortune: Eine kunstgewerbliche Skizze
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0102
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
92

Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

ist, aus irgend einem Grunde gar keine ..Korrektur'' vornehmen, so bleibt
noch immer ein beliebtes Aushilfsmittel, künstlerische Individualität ins
Treffen zu führen: die Metall montierung. Wie viele einfache Steinzeug-
objekte von Bigot haben z. B. in .,L'art nouveau'' von S. Bing eine aparte
Edelmetallmontierung erhalten; wie viele Lüstergläser sind mit gegossenen,
getriebenen oder galvanischen Silberornamenten versehen worden! Auf
ähnliche Weise kann die Montierung auch zu allerhand geflammten oder ge-
sprenkelten Emails treten (vgl. Abb. 6), ebenso zu Xylektypomarbeiten Metall-
beschläge, zu Batiks Stickereien usw. Kleisterpapiere lassen sich durch
direkte Anwendung von Aquarellfarben angenehm beleben und nachher noch
z. B. mit Gold bedrucken. Kurz, jede Zufallskunst macht es uns möglich,
durch weitere bewußte, künstlerische Zutaten das betreffende Objekt noch
mehr zu veredeln, wobei nur darauf zu sehen ist, daß man des Guten nicht
zu viel tue, und nicht durch eine übermäßige Häufung von Zierelementen den
betreffenden Gegenstand ungenießbar mache.

Die Zufallskünste dienen in unserer Zeit auch anderen Zwecken, und wenn
dies auch nicht unmittelbar zu unserem Thema gehört, wollen wir es doch
nicht unterlassen, wenigstens kurz darauf hinzuweisen. So hat die sogenannte
./Klecksographie", jene Spielerei, in der es unser Dichter Justinus Kerner* zur
großen Virtuosität brachte, nebenbei bemerkt, die einzige symmetrische
Zufalls-..Kunst'' - sicherlich bei manchem Flächenschmuck modernster Kunst-
gewerbe zu Pate gestanden**. Aber man hat es auch schon wiederholt ver-
sucht, Zufallskünste nicht nur gelegentlich, sondern systematisch als Fundgrube
stilistischer Ideen hinzustellen und namentlich die „abstrakte Linie" getunkter
Marmorpapiere unter Beigabe eines Winkelspiegels als „Quellentafeln" moderner

Ornamentik", als „Grammatik
des neuen Stiles" etc. anzu-
preisen***. Bei Licht besehen
sind alle derartigen Versuche,
die durchwegs von der falschen
Voraussetzung einer äußerlich
anzuheftenden Ornamentation
ausgehen, nichts anderes, als
eine Variation der Tendenz
unserer alten Kaleidoskope.

* Klecksographie von Justinus
Kerner, Stuttgart, Deutsche Verlags-
anstalt ; mit einem Vorwort des Dich-
ters von 1857.

** Man betrachte z. B. den Buchein-
band des vielgenannten Dänen Bindes-
böll in „The Studio", Juni 1901, S. 55
oder den Teppich von Leon Bochoms
in Brüssel im „Artist" 1902, S. 173.

*** Max Brösel und Fritz Soldan
..Quellentafeln" (Dresden); ähnlich das
„Diemoskop" von Dr. Ulrich Diem in
St. Gallen, die ..Grotesklinie" von Julius
Klinger und Hans Anker (Leipzig),
Verneuil, Auriol und Mucha: „Combi-
naisons ornamentales" und verschie-
dene ähnliche Werke.

Abb. 15. Glasschale von Emile Galle in Nancy.
(Stuttgart, Landes-Gewerbemuseum.)
 
Annotationen