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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Pazaurek, Gustav Edmund: Corriger la Fortune: Eine kunstgewerbliche Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0107
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Gustav E. Pazaurek, Corriger la fortune.

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Aber jedenfalls widerfuhr ihm das Ungeschick erst dann, als er mit der
umständlichen Schleifarbeit schon fast fertig war. Um nun die Mühe und
Zeit nicht verloren zu haben, wurde ein Kränzchen auf der Bodenfläche ein-
geschnitten, das den entwertenden Sprung möglichst verbirgt. Aber auch
ein schon längst ganz fertiges Stück aus zerbrechlichem Material kann ab
und zu einmal Schaden leiden, den man nachträglich zu kaschieren versucht.
Manches bessere Glas, namentlich aber mancher Spiegel erhielten auf diese
Weise, als sie zerbrachen, an den Sprungstellen kalte Uebermalungen von
naturalistischen Blumen- und Blattzweigen, die sich dann auch auf andere, heil
gebliebene Partien erstreckten*. Bei den hohen Preisen alter Glasspiegel wird
man dies erklärlich, wenn auch weniger erfreulich finden.

Aber können wir dergleichen heute gutheißen? Ist es nicht viel ehrlicher
und anständiger, wenn auch solche Fehler offen eingestanden werden? Der
Japaner macht nicht aus der Not eine Tugend, sondern gesteht einen Sprung
auf einem ihm teueren Cha-wan (Abb. 20) offen ein, indem er sogar ein auf-
fallendes Goldnetz darüber spannt. Ein solches Verfahren bildet unseren
Manipulationen gegenüber das andere Extrem. Wenn dies auch nicht immer
und überall wird befolgt werden können, so sollte man bei uns doch wenig-
stens alle jene Fälle von „Corriger la fortune" ausschalten, die hart an
Betrug grenzen. Jeder solide Produzent weiß recht gut, daß eine einzige
Täuschung des Publikums genügt, um den Ruf seines Unternehmens aufs
empfindlichste zu schädigen. Auch im Kunstgewerbe muß der Unterschied
zwischen dem gediegenen Erzeugnis und der Ausschußware peinlichst ein-
gehalten werden, sonst haben wir über kurz oder lang, aus den eigenen
Reihen oder aus dem Lager der fremden Konkurrenz wieder einmal ein
Pauschal-Verdammungs-Urteil zu befürchten, wie das bekannte, geflügelte Wort
von Reuleaux: „Billig und schlecht".

* Vgl. den Katalog der Ausstellung ..Symmetrie und Gleichgewicht" (Stuttgart 1906), S. 71 ff.

Abb. 20.

Alt-Japanisches Teekümmchen mit Sprünge-Vergoldung.
(Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe.)
 
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