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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1906-1907

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Pudor, Heinrich: Vergessene Möbelformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6373#0143
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Dr. Heinrich Pudor, Vergessene Möbelformen.

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allen Seiten und Richtungen
Fächer und Spiegel stellen
und öffnen. Spieltische waren
zusammenzuschlagen und an
die "Wand zu stellen.

England übernahm zu jener
Zeit auch die von den fran-
zösischen Rokokokünstlern
Delafosse und Liard erfun-
denen neuen Polstermöbel-
formen: die sogenannte
„Confidante", ein Sofa in
gestreckter Halbkreisform,
durch Armlehnen in vier oder
fünf Sitze geteilt; ferner die
„Duchesse", eigentlich aus
drei Stühlen bestehend, näm-
lich zwei Fauteuils mit den
Sitzen gegenübergestellt, da-
zwischen ein hineinpassender
Sessel, so daß das Ganze ein
einziges Möbel bildete; wie
man es gebrauchte, über-
lassen wir der Phantasie der
Leser.

Wir bemerkten schon, daß
die Kreisform besonders be-

Reinh. Schmidt, Preußischer Kürassier, liebt war. Wir finden sie

auch bei dem Damenschreib-
tisch (Ladies work table) mit einer Vertiefung in der Mitte, um die Arbeit
hineinlegen zu können. Achteckig ist dagegen die „Cellarette'' (zu übersetzen
etwa mit „Weinkellerchen") zum Gebrauche für das Speisezimmer, das vier
Weinflaschen enthielt, außerdem Platz für die Flaschenhälse, die damals zum
Oeffnen der Flaschen gebrochen wurden, wenigstens in lustiger Gesellschaft.

Auch W. Ince und J. Mathew kreierten in England einige neue Möbelformen
z. B. den Spieltisch mit Behältern für Lichter und Spielmarken, den Liegestuhl
(Lehnstuhl mit verlängertem Sitz) und eine praktische Form für den Damen-
toilettentisch mit aufstellbarem Spiegel (die beiden Hälften der Tischplatte
sind aufzuschlagen und bilden alsdann Behälter zum Abstellen von Toiletten-
gegenständen). A. Hepplewhite wandte zum ersten Male „Japanning" an,
d. h. die chinesische Lackarbeit ä la Martin (Paris). Diese Mode verbreitete
sich sehr rasch und wurde bald auf jede Art von Möbeln angewandt. Uebrigens
finden sich auch im Schlosse Monbijou eine Reihe derartiger Lackmöbel aus
der Zeit des deutschen Louis Seize, besonders Kabinettschränke. Hepplewhite
darf auch als Urahne sozusagen von Thonet angesehen werden, denn er war
der erste, der mit Erfolg gebogenes Holz in Mode brachte, besonders an
Betten, Sofas usw. Hierzu das ,,Bar-Back-Sofa", vier an den Rückenlehnen
in durchbrochener Arbeit mit einander verbundene Stühle mit gemeinsam ge-
 
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