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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Braun, Edmund Wilhelm: Altludwigsburger Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0020
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

sein hellrotgrauer Rock, die blaue, golden gewellte
Weste mit Goldsternen. Wundervoll weich erhebt
sich der Nacken und die Büste der Frau aus dem
steifen Mieder. Aehnliche Motive hat zwei Jahr-
zehnte zuvor Kandier, Meißens größter Modelleur,
geschaffen mit seinen Kavaliersgruppen, Liebespaaren
beim Kartenspiel, am Klavier, in Unterhaltung, pro-
menierend, nur ist die Modellierung dieser Meißner
Gruppen viel größer, breiter als die zierliche Ludwigs-
burger Gruppe.

In Modellierung und Dekor stark an Meißen erinnert
die Figur eines Hanswurstes (Dr. List, Magdeburg,
Kat. Nr. 603), in der typischen Haltung, sich in den
Knien wiegend, die Linke an der Pritsche, die Rechte
in die Hüfte gestemmt, auf dem Kopfe den runden
spitzen Hut mit Krempe. Ueber der Weste trägt
er die Hosenträger der Bauern und auf derselben
ein rotes Herzschild mit den Buchstaben HW, nur
bedeuten diese Buchstaben nicht „Hofnarr Wilkens",
wie der Ausstellungskatalog sagt, sondern „Hans-
wurst", eine im siebzehnten und achtzehnten Jahr-
hundert allgemein übliche Abbreviatur, die sich auch
auf Stichen in demselben Genre findet.

„Serenissimus hatte viel Freude an Figuren" und
um die Mitte der sechziger Jahre, als die Fabrik auf
ihrer glänzenden Höhe stand, bei 150 Angestellten,
entstand jene wirklich überraschend reiche Fülle von Figuren und Gruppen,
wovon die schönsten die Ausstellung füllten. Es lassen sich große Haupt-
gruppen von solchen zusammenfassen, die je auf einen hervorragenden Modelleur
zurückgehen, neben Beyer und seinem Kreis ist es der Modelleur von Figuren,
klein und gedrungen mit rundem Kopf, Jahreszeiten, zu zweit, Mann und Frau,
oder zu viert um einen Obelisk sitzend, dann ländliche Szenen, Schweine-
schlachten, Ernte, Fischerei, Jagd etc.

Daneben der Modelleur der schlanken mit reichen Falten modellierten Einzel-
figuren der Stände, Jahreszeiten, Tänzer, Tänzerinnen auf flachem, niedrigem
Rocaillesockel, in der verschiedenartigsten Weise dekoriert. Das achtzehnte
Jahrhundert war das Jahrhundert des Tanzes, des kunstreichen graziösen
Menuetts und fast in jeder Fabrik, in Ludwigsburg, Fulda, Frankental, Höchst,
bilden die Tanzfiguren den Höhepunkt der plastischen Kunst. In Ludwigs-
burg kennen wir sie im gewöhnlichen Kostüm, wie im Menuettkostüm, d. h.
Herr und Dame im prächtigen Reifrock, der Herr im kurzen, die Dame im
längeren, äußerst sorgfältig dekoriert in reicher Anwendung von Goldspitzen,
Goldtressen, Streublumen etc. So schweben sie leicht und anmutsreich daher,
allein, in Paaren oder zu dritt.

Pfeiffer hat im Vorwort zu dem Werk ein „Verzeichnis von vorhandenen
Figurenformen" aus dem Jahre 1825 publiziert, das eine Reihe von bekannten
Modellen wiedererkennen läßt. Aber die Zeit der Abfassung ist doch sehr
weit von der der Entstehung entfernt. Viel wichtiger und reichhaltiger ist das

Buntbemalte Figur des »Herbstest.
Dr. Darmstädter, Berlin.
 
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