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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Muthesius, H.: Das Problem der neuzeitlichen Organisation des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0040
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbeverems.

Massenherstellung handelt. Für die Einzelherstellung ist ein Parallelfall in
dem bekannten Verhältnis des Architekten zum Bauherrn gegeben, in welchem
der Architekt seine Dienste gegen einen gewissen Prozentsatz der Bausumme
zur Verfügung stellt. Die Zukunft des deutschen Kunstgewerbes wird davon
abhängen, daß sich geistige und materielle Produzenten auf einer ähnlich ver-
nünftigen, dem Interesse beider Parteien gerecht werdenden Grundlage einigen,
wie es auf den genannten ähnlichen Gebieten bereits geschehen ist.

Daß die neue Organisation schon mit großem Glück versucht worden ist,
dafür lassen sich bereits heute einige Beispiele anführen. Das einleuchtendste
ist das der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst. Es lohnt daher viel-
leicht auf dieses durchaus moderne Unternehmen etwas näher einzugehen,
zumal es auch sonst eine sehr eigenartige Stellung der Arbeitskräfte und viele
andere eigentümliche Züge zeigt.

Die Dresdner "Werkstätten für Handwerkskunst sind das Werk eines einzigen
Kopfes, aus dessen hartnäckiger Verfolgung künstlerischer, ethischer und ge-
schäftlicher Prinzipien das Unternehmen, wie es heute vor uns steht, entstanden
ist. Karl Schmidt, der Sohn eines Webers, geboren in Zschopau 1873, kam
als Tischler in die Lehre, von der er heute sagt, daß er dort nichts gelernt
hätte, weil die Meisterlehre nur darauf ausgehe, den Lehrling auszunützen.
Erst als Geselle brachte ihn der Zufall zu einem Meister, der ihm die Liebe
zum Handwerk beibrachte und ihn den Wert guter Arbeit und guten Materials
schätzen lernte. Von dort begab er sich auf die Wanderschaft durch Däne-
mark, Schweden, England. Nach seiner Rückkehr besuchte er in Berlin den
Abend- und Sonntagsunterricht der ersten Handwerkerschule, wo er die Grund-
elemente des handwerklichen Zeichnens lernte. Er kam dann nach Dresden
und wurde bald Werkführer in einer Jalousiefabrik. In dieser Tätigkeit, in
der er zum ersten Male bis zu einem gewissen Grade selbständig war, zeigte
sich sofort der Instinkt, der ihm später zu seinem großen Erfolge verholfen
hat. Er sann auf Verbesserung der Jalousiekonstruktionen und schlug, um
diese zu erreichen, den Weg ein, sich Entwürfe dafür von Außenstehenden
zu beschaffen. Nach einigen Kreuz- und Querzügen gelang es ihm, einen
Kaufmann Engelbrecht für die Herstellung guter und einfacher Möbel zu ge-
winnen, ein Gedanke, den er aus England mit nach Deutschland gebracht
hatte. In Gemeinschaft mit Engelbrecht wurden am 1. Oktober 1898 in Laube-
gast bei Dresden die Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt & Engel-
brecht gegründet. Engelbrecht schied bald aus, und Schmidt verbündete sich
mit dem Inhaber der Musikinstrumentenfabrik J. T. Müller in Dresden-Striesen.
Müller starb 1902, Schmidt zahlte die Müllerschen Erben mit einem von be-
freundeter Seite bereitgestellten Darlehn aus und war nunmehr Alleinbesitzer
der Firma: Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst Karl Schmidt.

Die Entwicklung des Unternehmens aus den allerkleinsten und bescheidensten
Anfängen bezeichnet einen fortgesetzten Aufstieg. Es fing mit zwei Gesellen
an und beschäftigte schon nach einem Jahre achtzehn, drei Jahre später sechzig
Gesellen. Im Jahre 1902 siedelte es nach einem großen Fabrikgebäude in
der Blase witzer Straße 17 über, in welchem es sich noch heute befindet.
1906 wurden noch zwei weitere Fabrikgebäude gemietet. Die Zahl der
Arbeiter und Angestellten beträgt jetzt dreihundert. 1903 wurde in Zschopau
im Erzgebirge eine Abteilung für künstlerisches Spielzeug eingerichtet. Auch
 
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