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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Württembergische Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0052
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

ZUM SCHLOSSUMBAU IN NEUENSTEIN
wurde am 16. Juni in Gegenwart des Fürsten Christian Krafft zu Hohen-
lohe-Oehringen feierlich der Grundstein gelegt. Beim Rundgang unter Führung
des Baumeisters Ebhardt zeigte sich, wie der „Schwäbische Merkur" aus-
führlich berichtete, welche mächtigen Bauten innerhalb eines Jahres vorgenommen
worden waren: die ganze innere Wand des südöstlichen Flügels hatte ab-
gebrochen und, soweit möglich, aus dem alten Material wieder aufgebaut
werden müssen, wobei das herrliche gotische Königsgewölbe mit sorg-
samster Hand geschont und völlig erhalten wurde. Von dort stieg man eine
fein profilierte Wendeltreppe zu der Höhe des zweiten Stockwerks, wo mit
dem Bau des marmornen Saals und der Steinbalustrade erst begonnen
wird. Ein großartiger Rundblick bot sich dort hinweg über den Ort mit seinen
hohen Giebeln und engen Gäßchen auf die Waldenburger Berge und über das
ebene vom Sonnenschein überstrahlte Land. Im ersten Stock wurde nament-
lich die Säulenstube eingehend vom Fürsten besichtigt, die eine fein aus-
geführte Deckentäferung erhalten soll. Die neuen Gesamtpläne über den Schloß-
umbau, von denen im Baubureau Einsicht genommen wurde, gewannen den
vollen Beifall der Gäste; in der Tat hat es der Baumeister mit feinem Kunst-
sinn verstanden mit Einbeziehung nächstliegender, bereits angekaufter Ge-
bäude das Schloß in das ganze Stadtbild harmonisch einzupassen. Die Einzel-
pläne, wie sie nicht nur über das Schloß, sondern auch über das einst von
Schickhardt errichtete Lusthaus vorliegen, erweisen sich dem Kundigen als
das Resultat eingehendster Einzelstudien und versprechen das Wieder-
erstehen eines Meisterwerks deutscher Renaissance. Die berühmte
Schloßküche, die im Fundraum aufgestapelten Gegenstände und die Samm-
lungen des Kaisersaals erregten das besondere Interesse der Gäste. Es war
4 Uhr geworden, als man nach einem Gang über die freigelegten Grundmauern
des Lusthauses und über den Turnierplatz in der Tiefe des Schloßgrabens
an dem Unterbau des rechten Torturms anlangte, wo der Bauführer Architekt
Hammel die Urkunde verlas, die in kupferner Kassette verlötet mit althohen-
loheschen Talern und schriftlichen Zeugnissen aus der Gegenwart in den Stein
versenkt wurde. Hierauf hielt Herr Ebhardt eine Ansprache, in der er unter
anderem ausführte: Der Schloßbau erfülle das Herz des schaffenden Künstlers
einmal mit einer natürlichen Freude an dem, was aus seinen Händen hervor-
gehe. Noch komme aber hinzu die Freude an der Forschung in den Blättern,
die uns von dem Leben und Treiben unserer Voreltern Nachricht geben und
aus denen vor uns Bilder aus der Geschichte unseres Vaterlandes aufsteigen,
die nicht nur dem fürstlichen Hause Hohenlohe, sondern auch als Gesamtbild
genommen uns allen lieb und wert seien. Bald melden die Urkunden von
kaiserlichem Besuch; man sehe die glänzende Gestalt Kaiser Maximilians
durch dieses Tor einreiten, man höre den Berichterstatter jener Tage in
naiven Worten schildern, wie er vom Grafen gastfrei aufgenommen sei und
wie er die Gräfin, die eben ein Knäblein geboren habe, freundlich besucht
habe. Als nun im Jahre 1525 die Schrecken des Bauernkrieges über Neuen-
stein hereingebrochen seien, da sei auch Neuenstein von ihnen betroffen worden,
jedoch habe der Bau wenig Schaden erlitten, da der Haß zwischen dem Grund-
herrn und der Bevölkerung nicht so tiefgehend gewesen sei, wie anderswo.
Eine ernste Zerstörung scheine damals nicht stattgefunden zu haben. Immer-
 
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