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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.
Man weiß auch hier, wie anderwärts, sehr gut, daß nicht nur das einzelne Individuum
aus den drei Naturreichen als geschlossenes Ganzes Verwendung finden, sondern daß
man sich vielleicht noch mehr von irgend einem, sonst noch wenig oder gar nicht be-
achteten Detail, z. B. von einem Blattansatz, einem Teilchen eines Schmetterlingflügels
oder einer Aederung in einem Stein zu neuen Kombinationen anregen lassen kann.
Ewig unerschöpflich ist der Born der Natur, und man braucht nur seine Augen ent-
sprechend zu schärfen, um immer wieder neue Reize entdecken zu können. Und
hat man wieder ein neues Motiv oder Motivchen, dann muß künstlerisches Feingefühl
dazu treten, um es zweck- und materialgemäß, an richtiger Stelle, in der entsprechen-
den Dimension nach den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen der formalen
Aesthetik zu verwerten, d. h. es bald nach dem Prinzip der Reihung, bald nach dem
der Symmetrie zu wiederholen, die gegebenen Farbenwerte nach der Analogie- oder
Kontrastharmonie abzustimmen und dergl.
In allen diesen Dingen hat es unsere Anstalt, die dem Rektorate der städtischen
Gewerbeschule (Torstraße)
untersteht, schon wirklich
zu einer sehr ansehnlichen
Reife gebracht. Aber auch
das rein geometrische Or-
nament, das einzelne unserer
heutigen kunstgewerblichen
Führer allein gelten lassen
wollen, geht nicht ganz leer
aus. Die erfreulichsten
Schmuckmotive des modern-
sten Kunstgewerbes sind
gewiß jene, die in zwang-
loser und ungekünstelter
Art das geometrische oder
das ..abstrakte" Linien-
ornament mit dem Natur-
motiv so zu verbinden
wissen, daß man zu keiner
langatmigen Analyse heraus-
gefordert wird, sondern
sich gerne und willig
dem ungefähren Stimmungs-
zauber hingibt, ohne um-
ständlich nach „Nam' und
Art" zu forschen, und
alles wie eine zwanglose
Selbstverständlichkeit auf-
nimmt. —
Die Ausbildung der
Schülerinnen, die nach vier-
jährigem Studium entwe-
der das Staatsexamen für
Zeichenlehrerinnen ablegen
und dann an Kunstgewerbe-
schulen oder Frauenarbeits-
schulen Anstellungen finden
oder als Zeichnerinnen in der
Textilindustrie oder in
anderen kunstgewerblichen
Branchen ihr Brot verdienen,
ist eine sehr vielseitige,
was dem folgenden Lehr-
plane zu entnehmen ist:
Sandfarbener Tnchläufer mit Samtapplikation.
Von L. Eberhardt.
Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.
Man weiß auch hier, wie anderwärts, sehr gut, daß nicht nur das einzelne Individuum
aus den drei Naturreichen als geschlossenes Ganzes Verwendung finden, sondern daß
man sich vielleicht noch mehr von irgend einem, sonst noch wenig oder gar nicht be-
achteten Detail, z. B. von einem Blattansatz, einem Teilchen eines Schmetterlingflügels
oder einer Aederung in einem Stein zu neuen Kombinationen anregen lassen kann.
Ewig unerschöpflich ist der Born der Natur, und man braucht nur seine Augen ent-
sprechend zu schärfen, um immer wieder neue Reize entdecken zu können. Und
hat man wieder ein neues Motiv oder Motivchen, dann muß künstlerisches Feingefühl
dazu treten, um es zweck- und materialgemäß, an richtiger Stelle, in der entsprechen-
den Dimension nach den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen der formalen
Aesthetik zu verwerten, d. h. es bald nach dem Prinzip der Reihung, bald nach dem
der Symmetrie zu wiederholen, die gegebenen Farbenwerte nach der Analogie- oder
Kontrastharmonie abzustimmen und dergl.
In allen diesen Dingen hat es unsere Anstalt, die dem Rektorate der städtischen
Gewerbeschule (Torstraße)
untersteht, schon wirklich
zu einer sehr ansehnlichen
Reife gebracht. Aber auch
das rein geometrische Or-
nament, das einzelne unserer
heutigen kunstgewerblichen
Führer allein gelten lassen
wollen, geht nicht ganz leer
aus. Die erfreulichsten
Schmuckmotive des modern-
sten Kunstgewerbes sind
gewiß jene, die in zwang-
loser und ungekünstelter
Art das geometrische oder
das ..abstrakte" Linien-
ornament mit dem Natur-
motiv so zu verbinden
wissen, daß man zu keiner
langatmigen Analyse heraus-
gefordert wird, sondern
sich gerne und willig
dem ungefähren Stimmungs-
zauber hingibt, ohne um-
ständlich nach „Nam' und
Art" zu forschen, und
alles wie eine zwanglose
Selbstverständlichkeit auf-
nimmt. —
Die Ausbildung der
Schülerinnen, die nach vier-
jährigem Studium entwe-
der das Staatsexamen für
Zeichenlehrerinnen ablegen
und dann an Kunstgewerbe-
schulen oder Frauenarbeits-
schulen Anstellungen finden
oder als Zeichnerinnen in der
Textilindustrie oder in
anderen kunstgewerblichen
Branchen ihr Brot verdienen,
ist eine sehr vielseitige,
was dem folgenden Lehr-
plane zu entnehmen ist:
Sandfarbener Tnchläufer mit Samtapplikation.
Von L. Eberhardt.