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Allgemein

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zeigt wieder, daß die Renaissance nicht so
sehr einen grundsätzlichen Wandel in den
philosophischen Ideen und Methoden be-
deutet, als vielmehr ein,, Stilbegriff“ ist; das
,, wie' ‘ ändert sich. Hinsichtlich der Vorstufen
des Humanismus im späten MA erinnert},
(an Hand von W. Goetz’ bekanntem Buch) an
die vorpetrarchische Bildung am Hof Ro-
berts von Neapel, wie an den zunehmenden
Klassizismus der Ars dictandi. Die Bolo-
gneser Meister des Dictamen wirken im
England des 14. und 15. Jahrh. nach
(Schirmer: Der englische Frühhumanis-
mus, s. u. nr. 974). Der Aufsatz schließt
mit einem Hinblick auf die englische
Staatslehre der Renaissance. Das absolute
Königtum ist kirchlicher Herkunft, das
regnum in seiner neuen Gestalt mit dem
König als organ of expertise übernimmt
mit Hilfe der bischöflichen Kanzler die
Würden des sacerdotium. Auch die Idee
der Staatsräson (publica utilitas) datiert be-
reits, wie auch Meineckes neueste Arbeiten
zeigen, aus dem späten Mittelalter.
Die Fragwürdigkeit der eindeutigen Ab-
grenzung der Renaissance als Epoche
nimmt auch T. zum Ausgangspunkt seiner
Betrachtungen. Aber er stößt zu der grund-
sätzlichen Frage vor, wie weit es überhaupt
berechtigt sei, die mannigfaltige Kultur der
verschiedensten Völker Europas, die zu-
dem zwei bis drei Jahrhunderte überspannt,
unter einen gemeinsamen Begriff „Renais-
sance“ zusammenzufassen. Sind wirklich
die Werke der Florentiner, der flandrischen
und deutschen Maler Abarten der einen
Renaissance-Kunst ? Läßt sich z. B. Spa-
nien in das italienische Verhältnis Renais-
sance-Gegenreformation einordnen ? Ganz
allgemein ist zu sagen, daß wir von „Re-
naissance“ angesichts eines entscheidenden
historischen Wandels sprechen, nicht, wenn
wir es mit einer kontinuierlichen Entwick-
lung zu tun haben. Seit den Tagen der
„Renaissance" datieren die leidenschaft-
lichen bald positiven, bald negativen Ur-
teile über den Wandel, der in gleichem
Maße, wie er Fortschritt war, auch Ver-
fall und Zerstörung bedeutete. Die Frage
nach der Bewertung ist auch heute —
selbst als innerer Konflikt des einzelnen
— lebendig (die allgemeine Wendung der
Gegenwart zum Mittelalter behandelt T.
freilich nicht näher). Das Wort Renais-
sance bezeichnet eher als den Charakter

einer Epoche eine typische Geisteshal-
tung (an attitude of mind). Sie gehört zu
allen Jahrhunderten, obschon sie sich
erst mit dem Zerfall der mittelalterlichen
Bindungen, mit der Zersetzung der kirch-
lichen Autorität ungehemmt entfalten
kann. An diese grundsätzlichen Erörte-
rungen schließt T. eine kurze Untersuchung
über die Probleme der sog. „Renaissance"
als Epoche und kommt zu dem Ergebnis,
daß die allgemein anerkannte Auffassung
der Renaissance (wie sie von Michelet,
Burckhardt, Symonds inauguriert wurde)
trotz zahlreicher notwendiger Modifika-
tionen im Kern ihre Gültigkeit bewahrt
habe. F. R.
BRAHMER, MIECZYSKAW, Problem Re- 833
nesansu we Wloszech wspölczesnych. [Das
Renaissance-Problem im zeitgenössi-
schen Italien.] Krakow: Nakladem
Krakowskiej Spölki Wydawniczej. 89 S.
Bibljoteka „Przegl^du Wspölczesne-
go", Tom II.
Ausführliches, zum Teil kritisches Refe-
rat über neuere italienische Arbeiten nach
den folgenden Gesichtspunkten: i.das Erbe
des Positivismus, 2. die idealistische Phi-
losophie angesichts der Renaissance, die
antiken Quellen der Ren., 3. das religiöse
Gesicht der Ren., 4. Kirche und Hu-
manismus, 5. die literarische Forschung
(„Auf der Suche nach neuen Werten") und
6. die Renaissancetradition im geistigen
Leben des heutigen Italiens. (Die beiden
letzten Kap. auch in Przegläd Wsölczesny
27, S. 245—259 und S.416—437.)
Hinsichtlich des Einflusses der Antike
weist der Verfasser auf die starke Ein-
schränkung hin, die die ehemals nahezu ka-
nonische Überbetonung neuerdings erfah-
ren hat. Eine Einwirkung der Antike setzt
bereits eine besondere Empfänglichkeit
voraus, sie sei nicht Ursache, sondern Folge
— nicht einmal die wichtigste — eines tief-
greifenden, zudem allgemein-europäischen
inneren Wandels (s. De Lollis, De Ruggiero,
Rossi, Oriani).
Außerordentlich stark ist das Interesse
der heutigen Forschung an den religiösen
Erscheinungen der Renaissance. Wichtig
vor allem Olgiati (von thomistischem Stand-
punkt) und Zabughin, der den roman-
tischen Lebensimpuls unter der klas-
sischen Draperie des Heidentums bloßzu-
 
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