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HUMANISMUS UND GEGENWART

I. DEUTSCHLAND

A. DER „DRITTE HUMANISMUS“
UND
VERWANDTE BESTREBUNGEN
1168 REHM, ALBERT, Neuhumanismus einst
und 'jetzt. München: Hueber. 25 S.
(Münchner Universitätsreden 22.) Der
letzte Teil auch in: Bayr. Bildungswesen
5, S. 65—74.
R. vergleicht den durch W. v. Hum-
boldt, F. Thiersch u. a. um 1800 be-
gründeten Neuhumanismus mit dem Hu-
manismus Werner Jaegers, dessen Pro-
gramm an den Philologentagungen von Göt-
tingen (1927) und Salzburg (1929) nieder-
gelegt wurde. Gemeinsamkeiten beider Hu-
manismen : der Begriff einer rein mensch-
lichen Bildung (rraiSela), die Ausbildung
des Individuellen als des Gleichnisses der all-
gemein menschlichen Natur, die Schätzung
der Sprache als wichtigstem Bildungs-
mittel und — im Gegensatz zum alten
Humanismus — die Auffassung der Antike
nicht als eines Vorbildes für die imitatio,
sondern als eines Ansporns zur aemulatio.
Gegensätze: Gegenüber dem auf Selbstver-
vollkommnung gerichteten Humboldtschen
Humanismus herrscht im heutigen Huma-
nismus die Betonung des Politischen, Staats-
ethischen. Hiermit hängt die veränderte,
positive Stellung gegenüber dem von Hum-
boldt in seiner Eigenbedeutung nicht ver-
standenen Römertum zusammen. Vom ex-
tremen Historismus des 19. Jahrh. übernahm
die Altertumswissenschaft schärfere Metho-
den zur Erfassung des realen Details, so daß
das neue Bild der Antike reicher und in-
dividueller nuanciert ist.
Der wesentliche Unterschied zwischen
dem Neuhumanismus von 1800 und dem
von heute liegt aber in ihrer verschiedenen
Stellung gegenüber dem Konflikt zwischen
Christentum und klassischer Bildung. Dies

ist ein Problem, das erst seit Kierkegaard
für den Protestantismus besteht — im
Katholizismus ist der Humanismus ein-
geordnet und gesichert — und das seither
nicht zur Ruhe gekommen ist. Es handelt
sich um einen Konflikt, der seiner Natur
nach logisch-intellektuell nicht zu lösen ist,
sondern im individuellen Leben jedes
einzelnen als Spannung gefühlt und er-
tragen werden muß. L. L.
rec.: Richard Harder, in: Gnomon 7,
S. 444—446.
Unterstreicht in seiner Besprechung die
von R. betonte Bedeutung der historischen
Wissenschaft des 19. Jahrh. für den er-
neuerten Humanismus. Er hält R.s maß-
volle Zurückdämmung der „Kulturkunde“
und „Nachlebenforschung“ — zumal für die
Schule — für berechtigt, betont jedoch,
daß diese für die historische Erkenntnis
unentbehrlich sei, jene dazu dienen müsse,
den traditionellen Primat der „Werke vor
den Sachen“ in der klass. Philologie durch
Aufdeckung der zentralen kulturellen
Funktion der Literatur bei den Griechen
zu rechtfertigen. R. N.
Siehe auch Nr. 7.
STENZEL, JULIUS, Was ist lebendig und 1169
was ist tot in der Philosophie des klassi-
schen Altertums? Vers, einer Geschichts-
philosophie der Philosophiegesch. In:
Neue Jbb. Wiss. Jugendbildg. 7, S. 1—6.
St. unterscheidet „zwei Seiten der Leben-
digkeit der Antike“: —eine „mittelbare Le-
bendigkeit“, die auf „Nachwirkung“ be-
ruht; eine „unmittelbare Lebendigkeit“,
die nur durch genuine Auseinandersetzung
zu gewährleisten ist. Die Verbindung
beider — ein Wesenszug alles „hermeneu-
tischen Verstehens“ — wird an der mo-
dernen Platonforschung mehr rhetorisch
als analytisch dargestellt. E. W.
 
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