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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 52.1931

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Wilhelmi, Eduard: Die Zehntfrage und ihre Bedeutung in der Nassauischen Revolution im Jahre 1848-1849
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https://doi.org/10.11588/diglit.62032#0182
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Die Zehntfrage und ihre Bedeutung in der
Nassauischen Revolution im Jahre 1848 1849.
Von
Eduard Wilhelm!-Frankfurt a. M.
In Nassau war der Zehnte, wie anderswo in Deutschland auch, eine auf
Grund und Boden lastende Abgabe. Sie war im Mittelalter entstanden und hat
sich bis in das vorige Jahrhundert erhalten. Wie der Name sagt, musste von
den betreffenden Grundstücken 1/io der Ernte an den Zehntberechtigten abge'
führt werden. Anfänglich wurde die Abgabe in Naturalien geleistet. Mit auf-
blühender Geldwirtschaft verwandelten die Zehntempfänger den Natural- in Geld-
wert. Eine Berechnung des durchschnittlichen Zehntwertes führte zu einer alle
Jahre gleichbleibenden Geldabgabe. Der Zehnte war also eine Steuer, die dem
Zehntberechtigten zustand. Als sie entstand, wurde nur der zehntpflichtig, der
zu dem Grundherrn oder der Kirche in irgend einem Abhängigkeitsverhältnis
stand.
Bei der Betriebsgrundherrschaft war dieses Abhängigkeitsverhältnis schärfer
ausgeprägt als in der darauffolgenden Rentengrundherrschaft. Die persönliche
Abhängigkeit verblasste oder verschwand ganz, und nur an den Abgaben und
Diensten war sie noch erkennbar. Die so erhaltenen äusseren, sichtbaren Zeichen
früherer Unfreiheit wurden zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nicht mehr in
ihrer rechtlichen Grundlage erkannt und durch die Ideen der Aufklärung und
der französischen Revolution als ungerechte Behandlung der Minderbemittelten
aufgefasst. Die „Aufklärung“ hielt den Bestand dieser mittelalterlichen Lasten für
unzeitgemäss und daher für abschaffungswürdig. Die Beseitigung der schroffsten
Form der Abhängigkeit, die Leibeigenschaft, erfolgte in Nassau im Jahre 1808.
Das Streben der nassauischen Bauern ging nun darauf aus, auch die letzten,
gelinden Formen abzustreifen, und sie glaubten in der Abschaffung besonders des
Zehnten ein Allheilmittel gegen ihre schlechte wirtschaftliche Lage gefunden
zu haben.
Nach Angaben Dr. Möllers in der „Freien Zeitung“ waren die Lasten auf
Grund und Boden noch erhöht worden. So betrug der Zehnte in den 40 er Jahren
des vorigen Jahrhunderts Vs, in manchen Gegenden sogar 7.5 des Ertrags. Darin lag
die Hauptursache der Bauernverarmung in Nassau, denn neben dem Zehnten
 
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