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Wilhelm I. von Oranien,
ein Sohn des Nassauer Landes.*)
Von
Waltsr PlatzhoTf.
Der 4. Mai dieses Jahres bringt die 400 jährige Wiederkehr des Geburts-
tages Wilhelms I. von Oranien. Zu umfassenden Feiern rüstet man sich in
seinem zweiten Vaterlande, in Holland, dessen Unabhängigkeit und staatliche
Existenz er begründet hat. Aber auch die nassauische Heimat hat allen Grund,
seiner in Dankbarkeit zu gedenken. Ist er doch einer ihrer grössten Söhne,
einer der bedeutendsten Sprossen ihres alten Fürstengeschlechtes, der sich zeit
seines Lebens als ein Nassauer gefühlt und sich seinen spanischen Gegnern
gegenüber immer wieder stolz darauf berufen hat, dass er deutschen Blutes sei.
Wie so viele deutsche Fürsten des 16. Jahrhunderts hat auch er die Enge
des heimatlichen Lebens mit einem weiteren Wirkungsfelde in der Ferne ver-
tauscht. Aber es war nicht wie bei so manchem anderen der Ehrgeiz oder die
Abenteuerlust, sondern das Schicksal, die Zufälligkeit dynastischen Erbrechtes,
die den 12 jährigen Knaben aus dem Dillenburger Stammschloss in die Fremde
führte. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts hatte die Ottonische Linie des Nassauer
Grafenhauses durch Heirat und Erbschaft Güter in den Niederlanden erworben,
gerade zu der Zeit, da hier die burgundische Herrschaft errichtet wurde. Engel-
brecht I. und seine Nachkommen haben auf dem neuen Boden schnell festen
Fuss gefasst. Obwohl sie ihre deutsche Herkunft nicht verleugneten und die
Beziehungen zu Familie und Stammland aufrecht erhielten, zählten sie zu dem
niederländischen Adel und erhöhten ihr Ansehen wie ihre Popularität durch die
hervorragenden Dienste, die sie den Herzogen von Burgund und ihren habs-
burgischen Nachfolgern leisteten. Graf Rene gewann 1530 als mütterliches
Erbe das souveräne Fürstentum Oranien in Südfrankreich hinzu. Bei seinem
frühen kinderlosen Tode (1544) hinterliess er seinen gesamten Besitz seinem
jungen Vetter Wilhelm. Wenngleich Kaiser Karl V. das Testament genehmigt
hatte, erhob die niederländische Regierung Bedenken gegen die Sukzession des
im evangelischen Glauben erzogenen deutschen Grafensohnes. Sie verlangte
den Religionswechsel und die Ausschliessung des ketzerischen Vaters von der
Vormundschaft. Aus dynastischen Gründen, um das reiche Erbe seinem Hause
zu erhalten, hat dieser die harten Bedingungen erfüllt — ein Beweis, dass schon
bei ihm die Glaubenstreue vor der Rücksicht auf Macht und Glanz seines Ge-
schlechtes zurücktrat.
Am Brüsseler Hofe empfing der Prinz von Oranien, wie er nun genannt
wurde, eine sorgfältige Ausbildung, besonders in den Sprachen und den ritter-
lichen Künsten. Er entwickelte sich zu einem glänzenden, genussfreudigen und
leichtlebigen Kavalier; durch seine Vermählung mit der Erbtochter des Grafen
von Buren vermehrte er Besitz und Einkommen in erheblichem Masse. Rasch
*) Vortrag, gehalten bei der Oranien-Gedenkfeier des Vereins für Nass. Altertumskunde
und Geschichtsforschung in Wiesbaden am 26. März 1933.
NASS. ANNALEN, Bd. LIII I. Heft. I
 
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