Farbenangaben in Siegeln des 13. Jahrhunderts
(mit 4 Tafeln) ;
Von Walther Möller
Nach allgemeiner Annahme, die auch in den Wappenfibeln vertreten wird,
sind die heraldischen Schraffierungen, die dazu dienen sollen, auch in nicht
kolorierten Abbildungen die Wappenfarben ersichtlich zu machen, eine KEr-
rungenschaft aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Als Erfinder wird bald
ein Jesuit Silvester a Petra Sancta, bald ein Franzose de la Colombiere genannt.
Wir finden aber auf weit älteren Siegeln bereits Verzierungen, welche die Wappen-
felder ausfüllen und die augenscheinlich die Farben erkennen lassen sollen.
Nach langjährigen Beobachtungen glaube ich darüber folgendes sagen zu
können. Es sind in der Tat schon auf den großen dreieckigen Wappensiegeln des
13. Jahrhunderts Versuche, die Farben anzudeuten, nachzuweisen. Sie sind
jedoch nicht einheitlich gehalten. Das ist begreiflich, da eine Organisation
fehlte, die eine übereinstimmende Verwendung der zur Farbenangabe dienenden
Zeichen hätte anordnen können. So blieb es dem Belieben der einzelnen Stempel-
schneider überlassen, wie sie die Tinkturen zur Darstellung bringen wollten.
Wenn auch bei nahe beieinander wohnenden Ziseleuren eine Einigung darüber
nicht nur möglich war, sondern auch tatsächlich zu Stande gekommen zu sein
Scheint, so ist es andererseits auch verständlich, wenn ein am Niederrhein
wohnender Graveur teilweise andere Zeichen anwandte als ein z. B. in Süd-
deutschland beheimateter. Trotzdem; lassen sich gewisse übereinstimmende
Regeln in der Kenntlichmachung von Farben aufstellen. Auf den Reitersiegeln
des 13. und 14. Jahrhunderts ist der Wappenschild des Reiters meist so klein,
daß für Farbenangaben kaum Platz bleibt. Doch hat man auch dort stellenweise
versucht, die Tinkturen kenntlich zu machen. In den immer kleiner werdenden
Siegeln aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert, deren Wappenschilde schließlich
nur Bruchteile eines Quadratzentimeters bedecken, sind überhaupt keine Farben-
andeutungen mehr angebracht, sondern die Heroldsbilder sind meist nur durch
Erhöhungen und Vertiefungen zur Darstellung gelangt. So kam der Gebrauch,
die Farben eines Wappens auf den Siegeln hervorzuheben, im Laufe der Jahre
außer Übung, und die Art und Weise, wie dies bisher gehandhabt worden war,
geriet schließlich in Vergessenheit. Erst im 17. Jahrhundert stellte sich gelegent-
lich der Veröffentlichung‘ eines heraldischen Werkes (Petra Sanctas „„T’esserae
gentilitiae‘), in dem eine größere Anzahl von Wappen farbig erkennbar zur
Darstellung kommen sollte, das Bedürfnis dafür wieder ein. So besteht das Ver-
dienst der oben Genannten wohl nur darin, daß sie jene Farbenzeichen, verein-
facht und vereinheitlicht, wieder ins Leben gerufen haben. Zur Betrachtung an
dieser Stelle kommen also nur die großen Dreiecksiegel des 13. J ahrhunderts.
Wenn man ein solches Siegel mit seinen teilweise bizarren Linien betrachtet
und daraus Farben zu lesen versucht, glaubt man zunächst vor einem unlösbaren.
Rätsel zu stehen. Aber bald fallen dem aufmerksamen Beobachter doch gewisse
übereinstimmende Zeichen auf, die wegen ihrer häufigen Wiederkehr auf ver-
schiedenen Siegeln als Farbenangaben gedeutet werden müssen. Der Vergleich
mit entsprechenden Wappen, deren Tinkturen bekannt sind, führt dann auf die
Spur der Lösung. ; ; ;
Zunächst fällt auf, daß nur die Wappen mit Heroldsfiguren in dieser ältesten
Zeit Schraffierungen (um beim Fachausdruck zu bleiben) aufweisen. Die ge-
(mit 4 Tafeln) ;
Von Walther Möller
Nach allgemeiner Annahme, die auch in den Wappenfibeln vertreten wird,
sind die heraldischen Schraffierungen, die dazu dienen sollen, auch in nicht
kolorierten Abbildungen die Wappenfarben ersichtlich zu machen, eine KEr-
rungenschaft aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Als Erfinder wird bald
ein Jesuit Silvester a Petra Sancta, bald ein Franzose de la Colombiere genannt.
Wir finden aber auf weit älteren Siegeln bereits Verzierungen, welche die Wappen-
felder ausfüllen und die augenscheinlich die Farben erkennen lassen sollen.
Nach langjährigen Beobachtungen glaube ich darüber folgendes sagen zu
können. Es sind in der Tat schon auf den großen dreieckigen Wappensiegeln des
13. Jahrhunderts Versuche, die Farben anzudeuten, nachzuweisen. Sie sind
jedoch nicht einheitlich gehalten. Das ist begreiflich, da eine Organisation
fehlte, die eine übereinstimmende Verwendung der zur Farbenangabe dienenden
Zeichen hätte anordnen können. So blieb es dem Belieben der einzelnen Stempel-
schneider überlassen, wie sie die Tinkturen zur Darstellung bringen wollten.
Wenn auch bei nahe beieinander wohnenden Ziseleuren eine Einigung darüber
nicht nur möglich war, sondern auch tatsächlich zu Stande gekommen zu sein
Scheint, so ist es andererseits auch verständlich, wenn ein am Niederrhein
wohnender Graveur teilweise andere Zeichen anwandte als ein z. B. in Süd-
deutschland beheimateter. Trotzdem; lassen sich gewisse übereinstimmende
Regeln in der Kenntlichmachung von Farben aufstellen. Auf den Reitersiegeln
des 13. und 14. Jahrhunderts ist der Wappenschild des Reiters meist so klein,
daß für Farbenangaben kaum Platz bleibt. Doch hat man auch dort stellenweise
versucht, die Tinkturen kenntlich zu machen. In den immer kleiner werdenden
Siegeln aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert, deren Wappenschilde schließlich
nur Bruchteile eines Quadratzentimeters bedecken, sind überhaupt keine Farben-
andeutungen mehr angebracht, sondern die Heroldsbilder sind meist nur durch
Erhöhungen und Vertiefungen zur Darstellung gelangt. So kam der Gebrauch,
die Farben eines Wappens auf den Siegeln hervorzuheben, im Laufe der Jahre
außer Übung, und die Art und Weise, wie dies bisher gehandhabt worden war,
geriet schließlich in Vergessenheit. Erst im 17. Jahrhundert stellte sich gelegent-
lich der Veröffentlichung‘ eines heraldischen Werkes (Petra Sanctas „„T’esserae
gentilitiae‘), in dem eine größere Anzahl von Wappen farbig erkennbar zur
Darstellung kommen sollte, das Bedürfnis dafür wieder ein. So besteht das Ver-
dienst der oben Genannten wohl nur darin, daß sie jene Farbenzeichen, verein-
facht und vereinheitlicht, wieder ins Leben gerufen haben. Zur Betrachtung an
dieser Stelle kommen also nur die großen Dreiecksiegel des 13. J ahrhunderts.
Wenn man ein solches Siegel mit seinen teilweise bizarren Linien betrachtet
und daraus Farben zu lesen versucht, glaubt man zunächst vor einem unlösbaren.
Rätsel zu stehen. Aber bald fallen dem aufmerksamen Beobachter doch gewisse
übereinstimmende Zeichen auf, die wegen ihrer häufigen Wiederkehr auf ver-
schiedenen Siegeln als Farbenangaben gedeutet werden müssen. Der Vergleich
mit entsprechenden Wappen, deren Tinkturen bekannt sind, führt dann auf die
Spur der Lösung. ; ; ;
Zunächst fällt auf, daß nur die Wappen mit Heroldsfiguren in dieser ältesten
Zeit Schraffierungen (um beim Fachausdruck zu bleiben) aufweisen. Die ge-