Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kultur und Leben
am Hofe der Katzenelnbogener Grafen”
Von Karl E. Demandt

Die Katzenelnbogener Grafen tauchen um die Wende des 11. Jahrhunderts
im Gebiete des Mittelrheins. auf, werden im Verlauf der staufischen Kaiserzeit
als Persönlichkeiten für uns greifbarer und lassen sich seit Beginn des 13. Jahr-
hunderts immer schärfer und klarer fassen, bis sie im Jahr 1479 mit dem Tod
Graf Philipps d. Ä. wieder ins Dunkel zurücktreten. Einzelne Teilungen haben
Besitz und Macht dieses im 12. Jahrhundert aus kleinsten Anfängen aufge-
stiegenen Hauses zwar zuweilen geschmälert, aber doch nicht vermocht, seinen
zuletzt ungewöhnlichen Aufstieg entscheidend zu hemmen. Im Jahre 1403
wurden dann die seit etwa 1263 getrennten beiden Hauptlinien unter Graf
Johann III. wieder vereinigt. Er führte die Grafschaft während seiner vierzig-
jährigen Regierung (1403—1444) einer Blüte entgegen, deren volle Entfaltung
unter seinem Sohne Graf Philipp d. A. (1444—1479) den politischen Höhepunkt
der Katzenelnbogener Grafschaft darstellt. Dann brach der Tod diesen Aufstieg
ab. Philipps einziger legitimer Sohn Philipp d. J. starb im Jahre 1453. Damit
wurde Landgraf Heinrich III. von Hessen als Gemahl der Gräfin Anna, der
einzigen Tochter Philipps d. A., im Jahre 1479 Erbe der Grafschaft.

Dieser für uns aufgehellte Zeitraum von 300 Jahren Katzenelnbogener Ge-
schichte beginnt und endet in zwei der künstlerisch hervorragendsten Epochen
des deutschen Mittelalters. Er erhebt sich im Banne der großen Kultur des
staufischen Kaisertums und endet in der Frühzeit der spätmittelalterlichen
deutschen Kulturentfaltung. Beide Epochen bilden daher den tragenden Grund
der folgenden Ausführungen, doch bringt es die Überlieferung mit sich, daß
dabei das späte Mittelalter und die beiden letzten Katzenelnbogener Grafen
Johann und Philipp stärker hervortreten. Was dabei an zeitlicher Ausdehnung
verlorengeht, wird an inhaltlicher Dichte gewonnen, und vor allem können wir
so Kultur und Leben auf zwei Persönlichkeiten beziehen, deren Wesen greifbar
vor uns steht und deren Wirksamkeit in die politisch bedeutsamste Epoche der
Katzenelnbogener Geschichte fällt.

Die Grafschaft bestand im 15. Jahrhundert im wesentlichen aus zwei großen,
von einander getrennten Gebieten. Die Obergrafschaft dehnte sich zwischen
unterem Main, mittlerem Rhein und Odenwald aus. Verwaltungsmittelpunkt
und Residenz war seit dem 14. Jahrhundert Darmstadt. Die Niedergrafschaft
umfaßte in der Hauptsache das durch Wisper, Aar, Lahn und Rhein begrenzte
Land auf dem Einrich, dessen Hauptverwaltungssitz Hohenstein und dessen
Residenz seit dem 13. Jahrhundert Rheinfels war. Dazu kamen Teile der Graf-

*) Der folgenden Abhandlung liegt ein Vortrag zugrunde, den der Verfasser vor den histo-
rischen Vereinen in Wiesbaden, Darmstadt, Kassel und Marburg gehalten hat. Da dieser Vor-
trag bereits in seiner ersten Formulierung zum Druck angenommen wurde, ist davon abgesehen
worden, ihn wesentlich umzuarbeiten oder ihn durch Anmerkungen mit einem wissenschaftlichen
Apparat zu belasten, der seiner Form nicht entsprechen würde. Stattdessen werden vier beispiel-
hafte Belegstücke aus den kulturgeschichtlich besonders ergiebigen Quellengruppen der spät-
mittelalterlichen Merkzettel, Rechnungen, Inventare und Akten des Katzenelnbogener Archivs
als Beilagen mitgeteilt. Die übrigen Nachrichten stammen, soweit sie nicht aus den erwähnten
Chroniken und Dichtungen entnommen wurden, aus den Urkunden und Korrespondenzen des
Katzenelnbogener Archivs, deren gesamte Veröffentlichung der Verfasser in nicht allzuferner
Zeit hofft vorlegen zu können.

Nass. Annalen Bd. 61 } 13
 
Annotationen