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_ Literaturbesprechung

A 8 * ;
Friedrich Behn: Vor- und Frühgeschichte. Grundlagen. Aufgaben. Methoden. Mit 93 Abbildungen
im Text und auf Tafeln. Eberhard Brockhaus, Wiesbaden 1948. 276 S.

In einer Zeit der Gärung auf allen geistigen Gebieten eine für die weitesten Kreise verständ-
liche Darstellung einer Wissenschaft vorzulegen, ist ein Wagnis für den Verleger und — den Autor.
Es muß umso größer erscheinen, als es sich in dem Behnschen Buch um eine Forschung handelt,
die in Deutschland eine halbe Generation lang von einer gewissen, zum Glück doch geringen Zahl
ihrer Vertreter politischen Dogmen unterworfen und dadurch weithin im In- und besonders im
Ausland diskreditiert war. Zu ihrem Unheil wurden von ihr Ergebnisse gefordert, die zu liefern -
sie nicht nur methodisch, sondern schon in der Materie nicht imstande war. Mit klarem Blick und
ruhigem, sicherem Urteil das Unmögliche auszumerzen und das Mögliche vorurteilslos herauszu-
arbeiten, ist nur von hoher Warte aus und bei absolutem Verantwortungsgefühl denkbar. Von
diesem Gesichtspunkt aus ist vor allen Dingen der Behnsche Überblick über die Vor- und Früh-
geschichte zu werten. Ein weiterer Grund, von Zeit zu Zeit über sich selbst klar zu werden und vor
energischen Reformen nicht zurückzuschrecken, liegt in der Jugend dieser Wissenschaft, die ihre
Stellung nicht in einsamer Selbstsicherheit, sondern nur in Verknüpfung mit Nachbardisziplinen
wie Geschichte, die sie selbst ja immer mehr werden muß, Naturwissenschaft, Völkerkunde und
Volkskunde verankern kann. Aus diesen Zusammenhängen heraus sind denn die Kapitel über
Begriffsbestimmung, Methodik, Vorgeschichte und Naturwissenschaft, Vorgeschichte als Ge-
schichte, Vorgeschichte als Völkerkunde und Volkskunde, Vorgeschichte und Sprachwissenschaft
zu würdigen. Über zwei Drittel des Buches schildern dann den Menschen der Vorzeit in seiner
körperlichen Entwicklung, in Tracht und Körperschmuck, in seiner Stellung in der natürlichen
Umwelt, im sozialen Leben und Handelsbeziehungen, sein Geistesleben und Religion durch die
Jahrtausende der Vor- und Frühgeschichte und über die Räume der „‚alten Welt‘‘. Schließlich
wird appendixhaft die Geschichte der Forschung kurz gegeben. Wer befreit von zersplitterndem und
ermüdendem KEinzelschrifttum in die Vor- und Frühgeschichte eingeführt sein möchte, wird mit
Gewinn dieses Werk lesen,.der um so größer ist, als der Leser auch das Problematische, das ja
jeder Wissenschaft anhaften muß, herausspürt. Er wird dadurch nur zu selbständigem Denken
angeregt werden, und das ist gerade wesentlich. Ferdinand Kutsch

Schriften zur Urgeschichte. Hessisches Landesmuseum Kassel, Band I, Die Urnenfelderkultur im
Hanauer Land von Hermann Müller-Karpe. Marburg 1948. 84 Seiten, 59 Tafeln.

Das Verdienst der sehr gründlichen Arbeit besteht in der Analyse.des sehr zahlreichen urnen-
felderzeitlichen Fundstoffes der südöstlichen und mittleren Wetterau, des Hanauer und Fried-
berger Gebietes. Dabei ergeben sich räumlich und innerhalb dieser zeitliche Gruppen, deren
Entstehen und Vergehen historisch zu deuten versucht wird, d. h. man spürt das Bestreben, hier
für das spätere 13.—8. Jh. v. Chr. Vorgeschichte zu Geschichte werden zu lassen, wobei Kultur-
kreis mit Volk identifiziert werden muß. Man wird dem Verfasser folgen, da sowohl bei der
Keramik wie bei den Bronzen „kultureller Neuanfang ohne heimische Tradition vorliegt‘‘, und
das Entstehen zunächst der Hanauer und dann der Friedberger Gruppe durch Einwanderung
neuen Volkes erklären, das aus Mitgebrachtem an beiden Stellen eigene, sich gegen die Umgebung
absetzende Formen entwickelt. Diese Leute werden im 9. Jahrhundert von aus Süd-Westen-
kommenden Frühhallstattleuten bezwungen, die in sichtlich kriegerischen Vorgängen Ringwälle
(Bleibiskopf, Johannisberg bei Bad Nauheim, Glauberg) bauten und die vorgefundene Bevölke-
rung nach und nach ihrer Kultur zuführen. Diese späteste Urnenfelderkultur wird im 8. Jahr-
hundert von der Hallstattwelle abgelöst, die die Koberstadterkultur entwickelt. Nicht recht geklärt
bleibt die bisher beobachtete Tatsache, daß offensichtlich gleichzeitige Siedlungs- und Gräber-
funde sich örtlich nicht decken. Jene liegen nördlich auf Löß, diese südlich davon im südlichen
Hanauer Land auf weniger frachtbarem Boden. Die methodisch wichtige Arbeit beruht auf einer
ausgezeichneten Beherrschung des gesamten Urnenfeldermaterials, die denn die Beziehungen des
herausgegriffenen Raumes weiterhin erkennen läßt.

Nass. Annalen Bd. 61 ; . 18
 
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