Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nekrolog ; 235

Museums und der Volksbücherei, die treibende Kraft bei allen Bestrebungen zur geistigen und
_ künstlerischen Förderung. Er wurde daher mit vollem Recht Ehrenbürger der Stadt, und eine
Straße trägt heute seinen Namen. Unvergessen bleibt auch seine treue Helferin und Lebens-
gefährtin Traut, geb. Bartels, die ihm bald nach seinem Hinscheiden nachfolgte.

Homberg/Ndrh. August Schoenwerk

Paul Wagner
Staatsarchivdirektor, Geh. Archivrat Dr. phil., Wiesbaden. 1852—1941

Am 22. Februar 1941 ist der Nestor der nassauischen Geschichtsforschung, Geheimrat
Wagner, gestorben. Mit ihm ist der wohl bedeutendste nassauische Archivar und der Neube-
gründer der landesgeschichtlichen Forschung in Nassau von uns gegangen.

Paul Wagner ist am 3. April 1852 zu Reichenbach in Schlesien geboren. Von der Seite des
Vaters wie der Mutter entstammt er lebenstüchtigen Handwerker- und Landwirtskreisen. Nach
dem Gymnasialbesuch zu Schweidnitz und Breslau begann er Ostern 1870 in Berlin mit dem
juristischen Studium, das, durch seine Teilnahme am deutsch-französischen Krieg unterbrochen,
°*hn schließlich doch nicht befriedigen konnte. So widmete er sich seit Ostern 1872 dem Studium
der Geschichte, in Bonn und dann in Berlin; Sybel, Droysen und Nitzsch zählten zu seinen
Lehrern. Als er 1876 seine Studien abgeschlossen und mit einer Arbeit über Bischof Eberhard IT.
von Bamberz (12. Jh.) in Halle promoviert hatte, wandte er sich dem archivarischen Berufe zu.
Ehe er die Leitung des Staatsarchivs Wiesbaden übernahm, war er zwei Jahrzehnte hindurch
an den Staatsarchiven Königsberg, Koblenz und Aurich als wissenschaftlicher Archivar tätig —
jeweils 6 bis 7 Jahre, so daß er die historische Überlieferung und Entwicklung dieser so ver-
schiedenartigen Landesteile gründlich kennen zu lernen vermochte. Überall verband er mit dem
Archivdienst die wissenschaftliche Arbeit in den landesgeschichtlichen Institutionen, wovon
deren Veröffentlichungen Zeugnis ablegen. Daneben entstanden 11 Lebensbilder für die Allge-
meine Deutsche Biographie.

So war er ein erfahrenen Archivar und anerkannter Historiker, als er am 1. April 1897 als
Archivdirektor die Leitung des Staatsarchivs Wiesbaden übernahm. Ihm hat er 24 Jahre vor-
gestanden, und durch die fördernde Verbindung mit der landesgeschichtlichen Forschung hat
er es zur vollen Entfaltung geführt. Unter ihm entstand das bautechnisch hervorragende Neubau-
magazin des Archivs und die Neueinrichtung im Innern. Er hat die umfangreichen . Bestände
neu gelagert und weithin zugänglich gemacht. Die neueren Sammlungen sind erst gegründet
durch ihn. Seine Sorge um das Archiv und um die historische Forschung ließ mit seiner Pen-
sionierung (1921) nicht nach, und noch volle 20 Jahre ist er, produktiv bis in sein letztes, das
89. Lebensjahr, unermüdlich tätig gewesen.

Ein großes Stück seiner Lebensarbeit war dem Verein für Nass. Altertumskunde und Ge-
schichtsforschung gewidmet, dessen Vorsitz er von 1899 bis 1908 und von 1921.bis 1932 inne-
hatte, und nicht weniger der Historischen Kommission für Nassau, der er von 1902 bis 1936
vorstand. Beide Institutionen haben ihn dann zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernannt. Dem Verein
ist er ein erfahrener, umsichtiger, aber auch bedächtiger Leiter gewesen, der ebensowohl gute
neue Gedanken zu fördern wie uferlose Pläne einzudämmen wußte. Die Ausflüge und Vorträge
hat er großenteils selbst übernommen und im übrigen bedeutende Redner gewinnen können.
Je schwerer seine Tätigkeit in einer modernen Stadt wie Wiesbaden selbst war, umso eifriger
förderte er die Ortsgruppen des Vereins, die er immer wieder besuchte, mit Vorträgen bedachte
und zu eigener wissenschaftlicher Arbeit anregte. Die „„Archivabende‘‘, die in den heutigen
Arbeitsgemeinschaften des Vereins weiterleben, sind von ihm begründet. In der Schriftleitung
der Nassauischen Annalen und Nassauischen Heimatblätter hatte er eine entscheidende Stimme.
Die „Mitteilungen‘* wurden unter ihm zu den Nassauischen Heimatblättern ausgebaut und zum
Organ der Ortsgruppen gemacht.

Die Stärke Wagners liegt in seinen Einzeluntersuchungen zur nassauischen Geschichte.
Nach der Aufdeckung des Bodmann-Schottschen Fälschungswerks und nach der Zedlerschen
Hyperkritik dieses Überlieferungskomplexes hat er es in nüchterner, kritischer Forschungsarbeit
unternommen, das Gebäude der älteren nassauischen Geschichte von Grund auf neu zu errichten
(Nass. Ann. 46. Bd S. 1 ff. u. S. 112 ff.; 47. Bd; 54. Bd). Einen nicht minder wesentlichen Bei-
trag zur älteren Geschichte des Landes liefert seine Veröffentlichung und Auswertung der Epp-
steinschen Lekensverzeichnisse und Zinsregister (1927). Er hat das Verdienst, die Lande an der
Dill als Königsgut erkannt und die Art ihres Anfalls an die Nassauer klargelegt zu haben (Nass.
Ann. 32. Bd.). Seine Darstellung über „Die Kirchenbaulasten für inkorporierte Kirchen im
Mainzer Erzbistum“ (Dt. Ztschr. f. Kirchenrecht 1912) ist von besonderem Gegenwartswert.
Eine Reihe nassauischer Städte verdankt ihm Gesamtdarstellungen oder Einzeluntersuchungen
 
Annotationen